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Etappe 46 - Buchillon nach Versoix

Autorenbild: Simon ExenbergerSimon Exenberger

Nachdem ich Julia gestern spätabends vom Bahnhof Etoy abgeholt habe, erwachen wir an diesem Morgen zweistöckigen Appartment des Grand Bois Hotel. Das Frühstück wird aufs Zimmer gebracht - danach steht einem ereignisreichen Pilgertag nichts mehr im Wege.

Zunächst überqueren wir den naheliegenden Fluss Aubonne und folgen ihm für etwa 2 Kilometer bis zum Ufer des Genfersees. Der Wald strahlt trotz der aufgeregten Vogelgesänge eine angenehme Ruhe aus.

Am Weg nach Verex kreuzen wir ausgedehnte Obstplantagen. Die Spalierbäume, die der Buchautor Engel für Pfirsichbäume hielt, tragen eigentlich Kiwifrüchte. Eine eher seltene, aber sehr erstaunliche Pflanze.

Wenig später treffen wir in der Nähe eines Campingplatzes direkt auf den See. Heute Früh liegt er vor diesem Grillplatz wie eine spiegelglatte Ebene.

Einige Meter landein- und aufwärts liegt das Weindorf Perroy. Unter der steigenden Sonne wird uns rasch warm und wir nutzen eine Bank als Rastplatz, Trinkpause und natürlich auch, um die Aussicht zu genießen.

Am Eingang des Dorfes Perroy steht ein eindrückliches Schloss aus dem 16. und 17. Jahrhundert, in dem heute ein großes Weingut geführt wird. Dahinter spazieren wir durch einen reizenden Ort mit historischen Häusern, kaufen bei der Bäckerei ein hervorragendes Croissant de Buerre und betreten dann die Pfarrkirche Saint-Marie, wo gerade eine besondere Lichtstimmung herrscht.

Am Ende der Ortschaft wandern wir durch Weingärten abwärts und erreichen die Stadt Bolle. Das markante Wahrzeichen des Ortes kommt bald in Sicht, als wir der Seepromenade entlang wandern.

Das Chateau de Rolle ist ein Schloss mit 4 Türmen, wurde im 13. Jahrhundert erbaut und liegt direkt am See. Das Bauwerk zieht die Aufmerksamkeit der gesamten Umgebung auf sich.

Nachdem wir Rolle hinter uns gelassen haben, gehen wir einige hundert Meter landeinwärts und folgen nun dem Seeufer parallel mit diesem Abstand. Über die Ortschaften Bursinel, Dully und Gland begleitet uns ein Gespräch zu den unterschiedlichen religiösen Konfessionen, deren Kontraste, Gemeinsamkeiten und die Frage, wie weit man mit den Vorgaben der Kirche konform gehen sollte, um sich nicht ohnehin zu distanzieren. Es sind spannende Fragen, die sich auftun, auch für mich selbst.


In der Zwischenzeit genießen wir die Weinsetzlinge, spannende Tunnelwege, ruhige Wälder und duftende Ostplantagen mit bestem Blick auf den See.

Beim Hochladen des letzten Bildes in den heutigen Beitrag fällt mir auf, wie häufig ich Brücken fotographisch festhalte. Es sind Konstruktionen, Bauwerke, die oft einen erheblichen technischen Aufwand erfordern und gleichzeitig so viel mehr sind als das. Brücken fungieren als Transportwege für Personen, Güter, Fahrzeuge, Züge aber in metaphorischer Hinsicht auch für Gedanken. Sie erleichtern den Kontakt und Austausch zwischen Menschen und Vielem was ihnen wichtig erscheint. Kaum ein Graben kann tief oder groß genug sein um nicht eine Brücke darüber zu bauen - wenn wir Menschen es nur wollen. Sinnbildlich für diese menschliche Verbundenheit gibt der Papst mit seinem Beinamen „pontifex“ (Brückenbauer) ein großes Vorbild. Ich mag Brücken - deren Aussehen, Sinn und Wirkung.


Bei einem Seezugang vor Pragins halten wir in der Nachmittagssonne Pause und stärken uns. Beim großen Sportboothafen steigen wir anschließend zum Chateu de Pragins hoch. Das Schloss, in dem einst Voltaire lebte, beherbergt heute das Schweizerische Landesmuseum. Davor liegt ein englisch angelegter, ganz wunderbarer Gemüse- und Blühpflanzengarten, in dem ich mich für mehrere Stunden hätte verlieren können.

Weitere 30 Minuten später treffen wir in Nyon ein und spazieren vom Bahnhof in die Stadt hinein, deren Geschichte bis in die vorrömische Zeit hinein reicht. Beeindruckend ist das Chateau de Nyon aus dem 12. Jahrhundert, das im 16. Jhdt. grundlegend umgebaut wurde und heute eine Museum beherbergt.

Von der Terrasse aus hat man einen wunderbaren Blick über die Dächer der Stadt und den See.

Bevor es weiter geht, stärken wir uns mit einem klassischen Schweizer Käsefondue, das uns heute besonders gut schmeckt.

„Nicht alle Pilger legten sämtliche Strecken zu Fuß zurück“, schreibt Hartmut Engel bei seiner Beschreibung des Genfer Sees. Heute wollen wir es ihnen gleich tun und einige Kilometer, die ansonsten abseits des Sees verlaufen würden, mit dem Schiff zurücklegen. Es ist eine glückliche Fügung, dass wir dafür ein altes Schiff der Belle Epoque, die „Savoie“ betreten dürfen. Während wir auf die Ankunft des Schiffes warten, weht ein kalter Wind über den See - doch der ist bald vergessen.

So wie die restlichen Fahrgäste staunen wir nicht schlecht, als wir das Herz des Dampfschiffs im Innenraum hautnah erleben dürfen. Mindestens 2 Mechaniker kümmern sich ständig um das reibungslose Arbeiten den Maschine aus dem Jahr 1914. Der Geruch von Öl, mechanischer Wärme und die unmittelbare Wucht der Kraftübertragung machen mich sprachlos.

Der Rest des historischen Schiffs befindet sich in einem ähnlich gepflegten Zustand. Meine Detailverliebtheit lässt uns beinahe den Ausstieg nach etwa 40 Minuten verpassen.

Unter den strengen Augen des Kapitäns und dem aufsteigenden Dampf der Maschine legen die Seeleute kurz vor 18 Uhr in unserem heutigen Etappenziel Versoix an.

Wir verabschieden uns bei dem Schiff und sind dankbar für dieses Erlebnis. Nur wenige Meter trennen uns nun von unserer heutigen Unterkunft - ein Hotel mit Blick auf den See.. was gibt es schöneres?


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