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Etappe 94 - Azofra nach Quintanilla del Monte en Rioja

Autorenbild: Simon ExenbergerSimon Exenberger

Der Tag war heute sehr lang, anstrengend und gegen Ende hin auch schmerzhaft. Ich werde daher versuchen, mich in meinem heutigen Blogbeitag kurz zu fassen und bald ins Bett zu kommen.


Heute Früh haben wir bis 8 Uhr ausgeschlafen und dann ein gutes Frühstück bei Jazzmusik genossen: Das hat sehr gut getan. Als wir die Rucksäcke schultern und losgehen, ist es bereits nach 9 Uhr.


Draußen ist es kalt und von Beginn an sehr windig, weshalb ich den ganzen Tag über mit der Regenjacke als Windstopper unterwegs bin. Die ersten Tageskilometer sind wir gemeinsam mit vielen anderen Pilgern unterwegs. Die meisten haben ihren Tag in Najera, aber eben eine Stunde früher begonnen.


Gestern abends haben wir noch recherchiert und herausgefunden, dass in vielen Weingärten in der Riojagegend die buschartige, sogenannte Gobelet-Erziehung (franz. Becher) den Vorzug gegenüber dem Spalier gegeben wird. Es ist eine  sehr alte Form der Rebzucht, die vor allem im Mittelmeerraum in niederschlagsarmen Gebieten zur Anwendung kommt.

Nach etwa 7 km duch die Weingärten erreichen wir Ciruena. Von einem vernachlässigten Ortskern abgesehen wurden hier grobe Neubauprojekte umgesetzt. Die Tatsache, dass in der Mitte ein Pool gebaut wurde, hat offenbar auch nicht das große Interesse geweckt: Viele Wohneinheiten stehen zum Verkauf.

Die Jacke ist bis nach oben geschlossen um dem beissenden Wind zu trotzen. Wir stapfen auf langen, geraden Schotterpisten Richtung Santo Domingo de la Calzada.

Die Gründung der Stadt geht auf das Jahr 1044 zurück, als sich der heilige Domingo de Viloria hier niederließ. Er veranlasste den Bau von Pilgerinfrastruktur und 1089 den Beginn der Errichtung einer Kirche. Auf ihn geht außerdem der spätere Orden der Dominikaner zurück.


Die kleinen Plätze der charmanten Innenstadt sind sonnig, windgeschützt und laden daher zu einer kurzen Rast ein. Ich blättere währenddessen im Wegführer und muss feststellen, dass wir uns bei der Berechnung des Tagespensums ein wenig vertan haben. Ziemlich genau 20 Kilometer sind jetzt noch zu absolvieren!

Wir besprechen und kurz und legen fest, dass wir trotzdem eine halbe Stunde Verzug in Kauf nehmen, um die Kathedrale, das Museum und den markanten Glockenturm zu besichtigen.

Der größte Teil der Kathedrale ist gotisch. Entgegen des üblichen Bickwinkels in Richtung des Altars stelle ich mich heute hinter den Platz des Priesters und nehme dieses Bild auf. Dabei fällt mir auf, dass der Sakralbau aufgrund seiner baulichen Unterteilungen für Messfeiern letztlich kaum geeignet ist.

In einem Seitenschiff liegt das Grab des Hl. Domingo, das mit einem gotischen Überbau versehen und außerdem auch im Stockwerk tiefer zugänglich ist.

Ganz in der Nähe befindet sich außerdem eine groteske Besonderheit: Der Käfig eines lebenden Hahns und einer Henne mitten in der Kirche! Diese tierquälerische Schaustellung geht auf die etwas abstruse Legende des sogenannten „Hühnerwunders“ zurück, deren Details ich jetzt ausspare und die für die Nachvollziehbarkeit dieses Blödsinns auch letztlich irrelevant ist.

Kopfschüttelnd steigen wir noch die steilen Stufen zum Glockenturm hinauf und nach einem kurzen Blick in alle Himmelsrichtungen auch schnell wieder ab. Hier oben stürmt es ordentlich!

Zunächst frohen Mutes nehmen wir die große Nachmittagsaufgabe in Angriff. Dabei können wir über diesen Wegweiser noch lachen, schließlich gibt es hier sowieso keine anderen Optionen als weiterhin kilometerweit geradeaus zu gehen.

Etwa zwei Stunden später passieren wir den Ort Granon, auf dessen Hautplatz bereits ausgelassene Nachmittagsstimmung bei Salat und Wein aufkommt. Ich wechsle ein paar Worte mit einer ankommenden Pilgerin, die Blasen beklagt und froh ist, unsere verbleibende Strecke nicht mehr gehen zu müssen.

Der Rest des Tages entwickelt sich für mich zu einer schmerzhaften Durchhalteübung. Schon seit Mittag spüre ich im rechten Vorfuß einen Druck, der sich zu einem ordentlichen Schmerz auswächst. Der Umstand, dass die Teilstrecke trostlos wirkt und häufig entlang einer stark befahrenen Straße, manchmal sogar entlang der Autobahnbaustelle führt, ist wahrlich keine Hilfe.

Wir schleppen und durch die geisterhaft verlassenen Ortschaften Castildelgado und Viloria. Dabei stellen wir fest, dass beinahe jedes Haus baufällig wirkt. Diese beiden Fotos gelten noch als Positivbeispiel.

Typisch für die letzten Stunden heute ist dieser Ausblick. Ich bin erschöpft und heilfroh, als wir endlich in dem kleinen verlorenen Dorf ankommen und die Unterkunft finden. Die Schadensbegutachtung zeigt eine Blase am rechten Fußballen. „Habe ich mit dem Hirschtalg zu sehr gespart? Schwierig, hier ein Pflaster zu kleben…“, sind meine ersten Gedanken.

Die kleine Herberge wird von einer herzlichen Dame und ihrer hervorragend kochenden Mutter geführt. Kurz vor 10 Uhr ist es nun endgütlig Zeit, ins Bett zu gehen.


Entgegen meines Vorsatzes konnte ich wieder die Klappe nich halten und musste diese Eindrücke irgendwie festhalten. Naja, so ist es eben mit konsequenten Angewohnheiten…


Ich bitte um gute Füße morgen und eine anständige Erholung. Bis morgen!


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