Der Schlaf innerhalb der alt-ehrwürdigen Mauern ist tief und erholsam. Um kurz vor 8 Uhr folge ich den Wegweisern zum Gästespeisesaal und merke dabei, wie enorm weitläufig der Stiftskomplex ist. Die Schüler des Gymnasiums verschwinden gerade in die Klassenzimmer als mir ein sehr zuvorkommender junger Ordensbruder das Frühstück bringt. Ganz offensichtlich ist er ein ‘Morgenmensch‘. Er erzählt, wie sehr das Stift üblicherweise von seinen zahlreichen Gästen belebt wird und wie traurig es war, als sie in den letzten Wochen, insbesondere auch über Ostern, ausbleiben mussten. Die Kontrolle meiner Tagesroute am Frühstückstisch wird zum Ritual - so wie einige andere Angewohnheiten... aber dazu später ;)

Heute nehme ich mir vor, es sportlich anzugehen und plane einige kleine Berge / Hügel in den Wegverlauf ein. Am Ende des Tages sollte die Aussicht dann für die etwa 800 Höhenmeter höchst belohnend sein. Aber der Reihe nach...
Zunächst folge ich der Straße in die benachbarte und beinahe vollständig zusammengewachsene Ortschaft St. Peter in der Au. Hier biege ich hinter einer nagelneuen Dienststelle des Roten Kreuzes in den Bergholz-Wald ein. Schon seit Jahren bemüht man sich hier um einen gepflegten Naturlehrpfad und die Landjugend erhielt einen Nachhaltigkeitspreis für ein Naturprojekt, bei dem ein ausgetrockneter Moorteich wieder befüllt wurde. Mir fällt auf, wie gezwungen und deplatziert allzu kräftiges menschliches Gestalten in der Natur wirkt. Der neu geschotterte Weg und der alte Waldweg - leicht zu entscheiden, was mir besser gefällt.


Am Waldrand finde ich einen schattig eingebetteten Rastplatz und mache eine Trinkpause. Da die Temperaturen schon merklich steigen wird es heute wichtig sein, genug zu trinken. Die Informationstafel erzählt von der geologischen Geschichte der Region: Vor tausenden Jahren bestand hier ein Binnenmeer, später spülten die Gletscher der wachsenden Alpen Geröll in die Ebene.

Ich stoße auf eine kleine asphaltierte Straße, die zu einem Bauernhof ansteigt und dann zu einem Pfad wird. Das heutige Kaiserwetter verleiht der Umgebung ein malerisches Bild, der Anstieg ist ein Genuss und auch der Blick zurück lohnt sich.


Der Stockerkogel wird von Einheimischen für kleine Mountainbike-Touren genutzt. Oben angekommen ist es wieder Zeit für eine Trinkpause.

Darauf folgen einige Höhenmeter bergab und es beginnt einer der bisher schönsten Abschnitte des Weges. Hier wo keine Ortschaften und Städte in Sichtweite sind bietet sich ein Landschaftsbild wie es der Gedanke an das Mostviertel instinktiv hervorruft. Alte Höfe, gesäumt von Obstbäumen, Wiesen und Wälder verschmelzen zu einem harmonisch-romantischen Ganzen. Mir wird beim neuerlichen Aufstieg zum nächsten Hügel ordentlich warm, aber ich bin so mit dem Schauen und Staunen beschäftigt, dass es mir nicht besonders anstrengend vorkommt.


Das Plateau des Plattenberges liegt auf 750 Metern Seehöhe und ist bald erreicht. Ich erklimme noch die Wendeltreppe der Elisabethwarte, genieße den Ausblick Richtung Süden ins Gebirge und danach eine Jause in der Mittagspause. Im gegenüberliegenden Weiler läuten die Kirchenglocken, ich schließe die Augen in der Sonne und bin zutiefst entspannt und selig zufrieden.


Eine Windflagge auf dieser großen Wiese erinnert mich ans Gleitschirmfliegen und ich überlege kurz, ob hier ein Start möglich wäre. Da ich den Schirm aber leider nicht dabei habe, geht es nach der Pause dem Bergrücken folgend zu Fuß weiter. Es folgt ein munteres Auf und Ab über die Hügel Richtung Westen. Die Hochlandrinder schauen mir durch ihre dichten "Stirnfransen" nach, der Hund des Bauernhofs ist überrascht, dass wieder einmal jemand zu Fuß vorbeikommt, die Katzen liegen in der Sonne und wollen gestreichelt werden. Die Wolken werden etwas dichter, die Luft fühlt sich schwerer und etwas schwül an und ich versuche, Tempo zu machen um das Etappenziel Steyr nicht allzu spät zu erreichen.


Einige Kilometer vor Steyr übertrete ich die Bundesländergrenze nach Oberösterreich. Das Meiden der größeren Straßen hat zur Folge, dass der Weg zwar direkter ist, aber auch, dass immer wieder einige Höhenmeter anfallen. Nach einem letzten Hügel halte ich nochmals Rast, hole das Handy aus dem sonst nun üblichen Flugmodus und schaue nach, wann die nächsten Züge Richtung Wien von Steyr abfahren.

Kurz danach taucht Steyr mit den unübersehbaren Industriewerken der Magna-Gruppe in einer leichten Senke auf. So grob der Werksverkehr des Lastwagenherstellers MAN auch ist, die Innenstadt ist sehr schön. Die Stelle, an der die Flüsse Enns und Steyr zusammenfließen strahlt mit der Altstadt im Hintergrund eine schwer beschreibbare Energie und Magie aus. Zeit und Kraft reichen für einen längeren Spaziergang in der Stadt nicht mehr aus - ich setze mich, trinke einen Radler und lasse das Rauschen des Wassers auf mich wirken. Gegen 16 Uhr steige ich in den Zug nach Linz und später nach Wien um.
Eines weiß ich sicher: Ich will bald wieder kommen.

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