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Etappe 88 - Roncesvalles nach Larrasoaña

  • Autorenbild: Simon Exenberger
    Simon Exenberger
  • 26. Apr. 2024
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 27. Apr. 2024

Das erste spanische Dorf, die erste Flasche Rotwein. Gestern hat sie uns geschmeckt, heute Früh ernten wir Kopfschmerzen und fühlen uns wenig regeneriert. Davon abgesehen ist das Hotel absolut empfehlenswert. Wir sind sehr froh, nicht in der überfüllten Pilgerunterkunft mit großen Schlafsälen genächtigt zu haben. Das war uns gestern Abend beim Abholen des Pilgerstempels bereits zu viel.


Besser als erwartet präsentiert sich das Wetter als wir vor die Tür treten und die große Klosteranlage noch einmal auf uns wirken lassen.

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Am Ortsausgang von Roncesvalles, das von der Abtei abgesehen nur aus wenigen Häusern besteht, markiert ein Kilometerstein den Beginn der heutigen Etappe: 790 km bis Santiago. Direkt dahinter verschwindet ein angenehm zu gehender, breiter Pfad im Wald.

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Die allermeiste Zeit sieht man einen anderen Pilger vor sich gehen - ein Umstand, der sich den restlichen Tag eigentlich kaum ändern sollte. Wir nehmen heute deutlich wahr, dass der Jakobsweg seit Saint-Jean-Pied-de-Port eigentlich als touristisches und ziemlich groß dimensioniertes Phänomen einzuordnen ist. Ich bin es nicht gewohnt, ständig jemanden vor und hinter mir zu haben, und muss mich mit dieser Gegebenheit erst anfreunden.


Nach kurzer Zeit erreichen wir den Ort Burgete (bask. Auritz) und lesen nach, dass Ernest Hemingway des Öfteren eine Auszeit und Zuflucht vor dem feucht-fröhlichen Pamplona gesucht habe. Das Ortsbild mit den ähnlichen Fassaden und den bunten Fensterläden hat jedenfalls seinen Reiz.

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Kaum eine Stunde später befinden wir uns in Espinal (bask. Aurizberri - die Namen sind wirklich witzig), und entscheiden uns spontan für eine kurze Kaffeepause. Ein schmaler, hoher Kirchturm und eine auffällig moderne Architektur machen mich neugierig auf das Innere der Kirche und wir betreten das Gotteshaus.

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Die schlichte Einrichtung erinnert mich an evangelische Kirchen, doch letztendlich bin ich enttäuscht: Eine moderne Kirchengestaltung eröffnet die Möglichkeit, auch mit baulichen Maßnahmen zu demonstrieren, dass alle Anwesenden gleichermaßen Kinder Gottes sind. Ich kann deshalb die überdeutliche Erhöhung des Altarbereichs und schon gar nicht den Zaun als Ausdruck der Abgrenzung zwischen der Gemeinde und dem Priester verstehen.


Wir schultern die Rucksäcke und gehen weiter. Bei all den eindeutigen Wegweisern scheint es beinahe unmöglich zu sein, sich auch ohne einen Plan oder Reiseführer zu verlaufen.

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Die Gebirgskette der Pyräneen ist nicht so richtig wahrnehmbar, weil die großen Gipfel in Wolken- und Nebelschwaden verschwinden. In südlicher Richtung ist den Blick in eine hügelreiche Gegend frei. Die Temperatur ist angenehm zum Wandern, nur eine Kopfbedeckung ist bei dem zeitweise auffrischenden Wind sinnvoll.

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Die meiste Zeit schlängelt sich die Route durch ausgesprochen schöne Waldstücke, meist hügelabwärts. Vermooste Märchenwälder und lichte Buchenwälder wie im Wienerwald wechseln sich dabei ab.

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Als wir den Fluss Rio Erro überschreiten, nutzen wir dafür nicht die Straßenbrücke sondern die Betonblöcke, die wohl als Sperre für Treibholz errichtet wurden.

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Kurz vor dem Dorf Viscarret erhöht mein Freund Jakob seine Schrittkadenz und zieht an einem Anstieg davon. Später erzählt er mir, dass er eigentlich eine Zeit lang schneller gehen wollte, um einen Bereich zu finden, in dem weniger Pilger unterwegs sind. Bei dem stetigen Fluss an Reisenden ist das allerdings kaum umzusetzen, stellt er später fest.

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So sind wir nun unvermittelt jeweils alleine unterwegs und ich versuche mich erst einmal auf die wieder ungewohnte Situation einzustellen. Ein jederzeit schnell zu eröffnendes Gespräch mit anderen Wanderern meide ich und versuche zunächst, im Inneren zur Ruhe zu kommen.

Das gelingt zu Beginn wirklich schlecht: Ich erschöpfe mich an einem kurzen, aber steilen Anstieg und fühle mich echt körperlich unwohl. Oben angekommen mache ich Halt, blicke auf die Uhr und stelle fest, dass ich seit bald drei Stunden unterwegs bin, aber noch nicht einmal einen halben Liter Wasser getrunken habe. Nach Flüssigkeitszufuhr und zwei Händen voll Nüssen geht es mir deutlich besser und setze den Weg durch den Wald fort.

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Als ich wenig später eine Landstraße kreuze und einen Rennradfahrer mit meinem Traum-Bike vorbeifahren sehe, kaufe ich mir bei diesem Food-Truck noch ein Elektrolytgetränk und komme nun endlich in einen guten Rhythmus.

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Es wird etwas wärmer und am Wegesrand wachsen farbenfrohe Skorpionginster, die auf den ersten Blick wie Stechginster, diese aggressiven Neophyten, aussehen. Die Pfade sind abwechslungsreich, in den schattigen Bereichen eine gatschige Angelegenheit und erfordern meist viel Aufmerksamkeit.

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Das unliebsame Bergabgehen versuche ich mit gekonnten, flinken Tritten rasch hinter mich zu bringen. Dabei überhole ich viele Leidensgenossen. Auf rutschigem und teils steilem Terrain sehe ich mehrfach (Beinahe-) Stürze.


Gegen halb 2 Uhr Nachmittags treffe ich Jakob, der sich auf einer Brücke beim Ortseingang von Zubiri niedergelassen hat und auf mich wartet. Wir entscheiden, eine kurze Rast im Ort zu machen und etwas zu trinken.


Im Anschluss verlassen wir die Ortschaft, die für die meisten anderen bereits das Tagesziel ist. Es folgt ein munteres auf und ab talauswärts. Wie ein großer Fremdkörper wirkt ein gigantisches Kies- und Sandwerk, an dem wir nun vorbeikommen.

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Inzwischen blinzelt die Sonne mehr und mehr durch die Wolken und erstmals wäre es heute angebracht, auf kurze Ärmel zu wechseln. Vor einem großen Hof liegen 4 Katzen in der Sonne und dieser helle Kater schaut verschlafen aber neugierig in meine Kamera hinein.

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Wir riechen am süßen Duft des blühenden Weißdorns und bringen die letzten Tageskilometer hinter uns. Hinweistafeln machen mittlerweile sogar darauf aufmerksam, dass beim Übersetzen der nächsten kleinen Zubringerstraße mit Autoverkehr zu rechnen ist…

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Gegen Ende beginnt die Sohle meines rechten Fußballens von der Belastung des langen Abwärtsgehens an, zu schmerzen. Wir kommen in Larrasoana an, finden die einfache, aber zweckmäßige Unterkunft schnell und ich freue mich über die Mitbenützung der Waschmaschine.


Ein kleiner Spaziergang durch den Ort führt uns zum „Supermarket“, einem kleinen Greissler, der eine sympathische Anlaufstelle für viele Pilger hier ist. Auf Flaggen haben die Besucher verschiedenster Länder ihre Namen eingetragen und der kleine Hof ist ein frequentierter Treffpunkt.

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Heute wollen wir früher schlafen gehen uns uns gut erholen. Ich bin demnach froh, dass ich bereits vor dem Abendessen um 8 Uhr mit meinem Beitrag für heute fertig bin!

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