Der „Nachteil“ der komfortablen Unterkunft ist, dass man im Vergleich zum Zelt viel länger liegen bleiben möchte. Irgendwann gegen 8 Uhr schaffe ich es aber dann doch schließlich aus den Federn heraus und in den Frühstücksraum. Während ich auf das servierte Frühstück warte (Buffet ist derzeit nicht gestattet), sehe ich den großen Rollwagen mit allerlei Hochprozentigem in der Stube stehen. Da fällt mir ein Nachtrag zu gestern Abend ein: Als ich nach dem Essen noch einen Vogelbeer-Schnaps bestellt habe, wurde ohne zu zögern und nachfragen der „Landessieger“ eingeschenkt. Da ich auf diesem Gebiet kein Experte bin, konnte ich die Qualität des Destillats nicht wirklich wertschätzen - musste mich kurz darauf allerdings ärgern, weil der gute Tropfen mit wohlfeilen 13,50 € für 2 cl zu bezahlen ist. Ja, die Kellnerin war unsicher - aber so etwas muss wirklich nicht sein...

Am Frühstückstisch wird die heutige Etappe geplant: Peter Lindenthal gibt die Route nördlich orientiert, der Donau entlang Richtung Linz an. Da mir die flachen Passagen am Donauradweg bisher nur mäßig gefallen haben, entschließe ich mich, eine eigene Variante über eine Südroute zu gehen. Ich versuche auf der Wanderkarte eine Strecke zusammenzustellen, die größere Verbindungsstraßen und wo möglich generell Asphalt vermeidet. Das gestaltet sich nicht so einfach, da die „Westachse“ mit Autobahn und Zugstrecke zu queren ist.

Am Weg nach Zeillern passiere ich die surrende und starkstromführende erste Versorgungsader der Ost-West-Achse. Es ist unheimlich, unter den tief hängenden Kabeln zu stehen, von dessen Transportgut wir uns in der modernen Zeit so stark abhängig gemacht haben.

Zeillern ist ein nettes Bauerndorf mit einer schönen Kirche - die Autobahn ist bereits zu sehen und unmissverständlich zu hören. Die Hendln haben sich an das Surren der LKW-Reifen gewöhnt und wundern sich vielmehr über mich.

Die Ortschaft zieht sich parallel zur Autobahn westwärts in den Ortsteil ‚Oberzeillern‘ - wo ich nun schließlich die Beschilderung mit Jakobsmuscheln verlasse und auf meine Fähigkeiten im Kartenlesen und Navigieren angewiesen bin.

Während ich die Anhöhe zur Brücke unter der Autobahn durch hochsteige denke ich über die Relation der Geschwindigkeiten nach. Nach einigen Tagen zu Fuß fühlen sich die recht konstanten 4.5 km/h eigentlich nach gutem Fortschritt an - die ersten Minuten im Zug sind direkt unangenehm wie die Beschleunigung in einer Hochschaubahn. Jeder kennt aber auch das Gefühl nach mehreren Stunden bei 130 km/h von der Autobahn abzufahren und in der 50er-Zone zu „stehen“. Geschwindigkeit = Weg / Zeit. Das Verhältnis bleibt konstant, die Wahrnehmung ist aber sehr dehnbar.

Südlich der Autobahn beginnt ein bäuerliches Hügelland mit monströsen Vierkanthöfen aus einer Zeit als die Familienverbände noch viel größer waren. Heute, so scheint es, sind einige der Höfe nur noch schwer zu erhalten und verfallen zum Teil - andere wieder stehen in hervorragendem Zustand da. Auf den Feldern steht der Mais etwa 40 Zentimeter hoch, in den Ställen stehen Kühe und Kälber - dazwischen säumen Obstbäume die Bauernhäuser und Wirtschaftsgebäude. Während ein schwarzes Wolkenband hartnäckig hinter mir steht sehe ich auch die ersten Obstplantagen.


Etwa einenhalb Stunden südlich der Autobahn komme ich in den Ort „Aschbach-Markt“. Während die Bauernhöfe urig und authentisch in der Landschaft liegen, machen die Einfamilienhäuser in den kleinen Städten einen größtenteils recht brachialen Eindruck. Wer kann leistet sich ein Chlor-Pool, die Kosmetikerin hat ihr Haus mit einer glitzernden Fassade „verschönert“ und absolut jeder hat ein Trampolin im Garten stehen. Mindestens zwei Extrakilometer irre ich durch die Marktgemeinde auf der Suche nach einem Mittagstisch - um dann herauszufinden, dass heute alles außer dem Straßen-Imbiss geschlossen hat. Schließlich wird hungrig und durstig beim Billa eingekauft - keine Empfehlung für diese Aktion!

Der „Panoramaweg“ verbindet Aschbach mit Krenstetten und der Ausblick hält, was der Name verspricht. Kurz danach nehme ich die Unterführung der Schienen während ein Hochgeschwindigkeitszug Richtung Linz vorbeifliegt - dann setzt sich das gewohnte Bild fort: Vierkanthöfe, ein Sägewerk und ein kleiner Flughafen für Einmotorige und Segelflieger. Bei malerischer Wolkenzeichnung schaue ich einem Segler beim Landeanflug zu und wünsche mich selbst auch wieder in die Luft.


Auf einem kleinen Hügel halte ich Rast in der Spätnachmittagssonne und schaue auf Seitenstetten hinunter. Hier steht ein im Jahre 1112 gegründetes Benediktinerstift, das auf eine lange Tradition menschlicher Begegnung zurückblickt. Es beherbergt ein neben der Klauser ein Museum, Gymnasium und einige Gästezimmer. Natürlich habe ich mir genau hier ein Zimmer organisiert und freue mich darauf innerhalb der historischen, dicken Mauern zu schlafen.


Rund um das Stift tifft man auf jede Menge grün: der antik anmutende Sportplatz der Schule und vor allem der Hofgarten des Stifts mit anschließender Gärtnerei. Ich betrete den Garten in der Abendsonne und bin sofort überwältigt - von dem Meer an durftenden Pfingstrosen, der Vielfalt an Kräutern und Stauden, dem edlen Rosengarten und stillen Sitzgelegenheiten. Manche essen ihre Abendjause, andere lernen in der Sonne und eine Kleingruppe Pensionisten unterhält sich über die Pflege des Buchsbaumes. Ich sitze in der Sonne, strecke die Beine aus, tue für 30 Minuten absolut gar nichts und genieße es.




Beim Mostviertlerwirt bestelle ich einen Veggieburger und bin überrascht, wie gut er doch schmeckt.. Nicht überall kümmert man sich wirklich darum, wie die vegetarischen Gerichte schmecken. Während ich die Fotos von der GoPro auf das Handy überspiele genieße ich ortsgetreu einen ausgezeichneten Apfel-Birnen-Most. Dann gehe ich die paar Schritte zum Stift zurück und tippe die gestrige Etappenbeschreibung ins Handy bevor ich in einen tiefen Schlaf falle.

Yorumlar