Beim Frühstück sind an diesem Morgen die ehemaligen Besitzer des Hauses zufällig anwesend. Das betagte Ehepaar kommt ursprünglich aus England und hält sich nach einem spannenden Lebenslauf heute zwischen Portugal, Frankreich und Großbritannien auf. Die Dame kann ihre frühere politische Tätigkeit nicht verbergen und beginnt bald über europäische Politik zu sprechen. („we just paid too much in the EU“ - aber durch quer Europa fahren, die Freiheit genießen und die Infrastruktur nutzen. Es ist Zeit, den Kaffee auszutrinken und aufzubrechen!)
Ich packe den gut gefüllten Jausenkorb von Isabelle in meinen Rucksack, gebe Acht, die Tomaten und Eier nicht zu zerdrücken und verlasse die besonders schöne Gasse in Saint-Antoine, in der ich heute Gast sein durfte.
Ausgedehnte Felder umringen mich auf den ersten Kilometern des Tages.


Nach einer Stunde erreiche ich den Ort Flamarens auf einer Anhöhe. Die rot-weißen Wegmarkierungen führen mich direkt zu der beschädigten / verfallenden Kirche Saint-Santurin aus dem 16. Jahrhundert, die angeblich schon lange restauriert wird. Es ist eigenartig bedrückend, eine Kirche in diesem Zustand zu sehen.


In der Nähe der Kirche und des gegenüberliegenden Rastplatzes steht das Chateau de Flamarens mit seinem mächtigen Rundturm aus dem Jahr 1469. Das Schloss befindet sich in Privatbesitz und kann daher nich besichtigt werden. Ein eisernes Gitter bietet mir ein Fotomotiv.

Wuchtige Wolkenformationen und reifende Getreidefelder begleiten meinen weiteren Weg. Häufig verläuft die Strecke hier parallel zu den Straßen und ermöglicht dennoch den ungetrübten Blick auf das Land.


„Typisch französisch“ sind Fahrzeuge wie diese. Es ist eines der Klischees die ich bestätigen kann.

Ich erreiche die Ortschaft Miradoux gegen Mittag, trinke einen Espresso und besuche die Kirche sowie die Markthalle.
In dem Dorf Castet-Arrouy lege ich eine Mittagspause ein. Die Pilger, die neben mir jausenen, bitten mich um ein Gruppenfoto und bieten mir dann einen Rotwein an. Ich esse von dem Lunchpaket, das ich heute morgen eingepackt habe und besichtige die Kirche mit ihrem eigenwillig dunklen Altarraum. Hier treffe ich Wilfried aus Deutschland wieder. So unzufrieden, wie er wirkt, frage ich mich, was ihn eigentlich wirklich bedrückt.

„Beten wir zum Hl. Petrus“, sagt er, und ich erwidere, dass ich es gut finde, dass wir Menschen das Wetter nicht beeinflussen können. Frohen Mutes mache ich mich auf in Richtung des Etappenziels und muss mich wenig später umziehen. Es bedarf ein bisschen Anpassung, doch der kleine Regenschauer tut mir nicht weh.

Nachdem der nasse Schauer vorübergezogen ist, steigen die ätherischen Gerüche des trocknenden Heus auf und ich fühle mich in meine Kindheit, die im Urlaub oft am Bauernhof stattfand, zurückversetzt und dementsprechend sehr wohl.
Auf dem Weg zum Etappenziel holt mich ein Bekannter ein: Antoine ist mit Julia und mir in Le Puy gestartet, zwischenzeitlich hatten wir unterschiedliche Etappenziele, doch heute sehe ich ihn wieder. Wir unterhalten uns gut und gehen gemeinsam bis Lectoure.
Als hätten wir es geplant setzt bei unserer Ankunft Regen ein. Wir retten uns gemeinsam zum ersten Anlaufpunkt, der Kirche. Der Kirchturm überragt die Stadt und ist von weitem sichtbar. Wie so oft stellt sich im Inneren des Gotteshauses eine besondere Stille ein.

Eigentlich handelt es sich hier weniger um eine Dorfkirche als vielmehr um eine Kathedrale. Saint-Gervais und Saint-Protais wurde im 14. und 17. Jahrhundert erbaut. Als ich die Fotos aufnehme, fällt mir auf, dass ich die Sakralbauten meist aus der gleichen Perspektive fotografiere und wende mich daher bewusst auch einmal in die andere Richtung.

Ich lade Antoine auf ein Bier ein und unser gutes Gespräch setzt sich fort. Wir unterhalten uns über Karrierewege und die wunderbare Auszeit, die der Jakobsweg bereiten kann.

Ich checke in das Hotel ein, wasche meine Wäsche und nehme eine Dusche, danach spaziere ich wieder durch die Hauptstraße von Lectoure. Die Kleinstadt ist sehr alt, war bereits im 5. Jahrhundert Bischofssitz und entwickelte im Mittelalter eine große Pilgertradition. Die Gassen sind eng, bis auf die lange Hauptstraße, die eine deutliche Achse bildet. Hier treffe ich Dominique, sie lädt mich zu „einem“ Glas Wein in deren Appartement ein.

Bevor wir den guten Wein genießen, gelingt mir dieser Schnappschuss in der Auslage eines Delikatessengeschäfts.

Später des selben Abends kehre ich zu der „Sports Bar“ zurück und verfolge ein spannendes Champions Tie Break des Roland Garros Turnier. Ich sehe ein warmes Abendlicht hereinblitzen, trete nach draußen und staune über die tolle Abendstimmung.


In der Bar ist einiges los (ist auch die einzige die noch offen hat), und ich brauche ziemlich lange, bis ich meinen Blog-Beitrag fertig habe. Jetzt freue ich mich schon sehr auf das frische, weiße Bettzeug.
Bonne nuit!

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