Da Julias Zug schon so früh am Tag mit einer Verspätung von über einer Stunde angekündigt ist, begleitet sie mich noch zur Pont Valentre, über die der Jakobsweg die Stadt verlässt. Die Brücke über den Lot ist das Wahrzeichen von Cahors und außerdem mit ihren 8 Bögen und 3 gewaltigen Türmen eine der europaweit besterhaltenen Brücken aus dem Mittelalter.


So eindrücklich das Bauwerk auch ist, ich bin ziemlich davon abgelenkt, dass sich unsere Wege trennen und Julia nach Hause fährt. Beinahe 3 Wochen Hochs und Tiefs, so viele neue Erlebnisse und Orte - das schweißt zusammen und formt ein eingespieltes Team.
DANKE Julia, für deine ausdauernde Begleitung, dein Organisieren von Unterkünften und Lokalen, die Revolution des mobilen Wäschewaschens (erkläre ich noch), die guten Gespräche und die feinen Abendessen, die wir gemeinsam genießen durften.
Mit einem schweren Herzen verlasse ich die Brücke Richtung Osten und steige einen steilen Pfad hinauf. Oben angekommen bietet sich mehrmals ein toller Ausblick auf die Stadt samt ihrer markanten Brücke. Ich bemerke erst jetzt, dass ich das Sackerl mit meinem Frühstück immer noch in der Hand trage, lege eine kurze Pause ein, esse und sammle mich ein wenig.

Im Anschluss beginnt ein zunächst häufig über Asphalt führender Weg, der auf etwa 300 Meter ansteigt und dann auf diesem Plateau verbleibt.
Es ist ungewohnt und fühlt sich daher eigenartig an, nun wieder ganz auf sich allein gestellt zu sein. Meine Gedankengänge sind unruhig, manchmal unsicher und ich bin froh, dass ich „Artgenossen“ auf dem Weg treffe.

Schritt für Schritt führt der Weg von den Siedlungsgebieten und Agrarflächen weg. Dieser sandige und steinige Boden gibt einfach keine Bewirtschaftungsmöglichkeit her. Es sieht aus wie in einer trockenen Steppe.

Mit flottem Schritt und wenig Pausen überhole ich heute die meisten anderen Pilger.

Das Dorf Lascabanes ist ungefähr 23 Kilometer von Cahors entfernt und für einige andere bereits das Etappenziel. Ich winke jenen, die gegen die Mittagszeit bei einem kleinen Cafe sitzen zu, gehe aber gleich weiter. Die üblichen Grußformeln „bonne journee“ und „bonne chemin“ gehen inzwischen wie selbstverständlich von der Hand.
Hinter dem Dorf liegt der herrschaftliche Sitz eines Weingutes, dessen weiße, steinerne Mauern zwischen einem Teich und dem gepflegten Grün hervorstrahlen.

Auf beinahe weißen, gräulichen Böden umgeben mich große Kornfelder. In besonders sonnigen Lagen reifen manche Getreidesorten sehr früh und färben sich schon jetzt gelblich. Auch das ist wohl ein Indikator dafür, dass ich in immer wärmere Klimazonen gelange.


Eine angenehme Abkühlung verschaffe ich mir im Staubecken eines kleinen Baches. Als ich das Foto später von der Kamera auf das Handy lade, fällt mir auf, wie eigenartig der eingetauchte Kopf im Wasser aussieht.

Nach etwas mehr als 30 Kilometern bei sportlichem Tempo erreiche ich Montcuq um etwa 15 Uhr. Ich spaziere durch die gut erhaltene Altstadt zur Kirche Saint-Hilaire, die auf das 13. Jahrhundert zurückgeht, aber im 18. Jahrhundert nach groben Beschädigungen neu gebaut werden musste. Die Glasfenster im hohen Altarraum sind zwar schön, doch irgendwie fehlt Pathos in diesem Gotteshaus.


Müde lasse ich mich in einen der Sessel einer Brasserie fallen und bestelle ein kleines Bier. Meine reservierte Unterkunft liegt zwar noch etwa 3 Kilometer weiter südlich im Ort Rouillac, doch ich muss warten, bis der Greissler (petit casino) um 16 Uhr seine Mittagspause beendet, damit ich abends etwas zu Essen habe.
Mit vollem Rucksack eile ich die letzten Kilometer zum Etappenziel. Die Luft ist heiß und schwer, das Shirt klebt an meiner Haut. Ein finaler Blick auf die Sportuhr erklärt einiges - 38km, 700hm, 33 Grad.

Rouillac kann allerhöchstens 50 Einwohner zählen. In dem Weiler sind einige wenige Häuser um eine kleine Kirche geschart, die bei meiner Ankunft gerade idyllisch von der im Westen stehenden Sonne angestrahlt wird.
Hier treffe ich mich mit Jean. Er zeigt mir sein eigens errichtetes Bootshaus, eigentlich eher eine Fischerhütte, die auf dem Teich liegt. Hier werde ich heute nächtigen. Vor der Hütte warten die Karpfen darauf, gefüttert zu werden und Jean zeigt mir eine seltene Wasserschlange, die gerade zufällig zu sehen ist. Ich sags wie es ist: Diese Tiere sind mir nicht geheuer.

Ich dusche mich, wasche die Wäsche (mit einem geeigneten biologischen Waschmittel, da das Abwasser in den See fließt), setze mich auf die sonnige Terrasse und genieße einen ruhigen Abend.

In unregelmäßigen Abständen beginnen sich die Frösche lautstark zu unterhalten. Faszinierend, wie diese kleinen Tiere kollektiv einen solchen Lärm zustandebringen.

Diesen Schlafplatz werde ich nicht vergessen. Ein Traum!
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