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Etappe 72 - Bach nach Cahors

Autorenbild: Simon ExenbergerSimon Exenberger

Aktualisiert: 22. Mai 2022

Als wir uns um 7 Uhr gemeinsam mit dem gemütlichen Winzerehepaar zum Frühstück setzen, sind die beiden Sportenthusiasten schon längst aufgebrochen.


Die Abläufe am frühen Morgen sind wohl bei den meisten einigermaßen automatisiert - bei uns gehört nach inzwischen 20 Tagen Pilgerreise auch das Rucksackpacken dazu. Alles hat exakt eingeübt seinen Platz und ist innerhalb kürzester Zeit verstaut. Für Julia ist es nun der letzte Etappenstart: Sie muss morgen leider nach Wien zurückfahren.


Der heutige Wegverlauf bringt uns auf etwa 26 Kilometern nach Cahors, wo es treffenderweise auch eine Zuganbindung gibt. Der Großteil der Strecke deckt sich mit dem Cami Ferrat, einer römischen Straße, die auch lange nach dem Untergang des römischen Reiches noch als Wirtschaftsweg genutzt wurde. Die Landschaft links und rechts des fast geradlinig verlaufenden Weges ähnelt jenen der letzten Tage stark.


Nach etwa 15 Kilometern unterqueren wir die Autobahn A20. Bei bedecktem Himmel war es bisher heute recht gut auszuhalten gewesen, doch auf dem Weg aus der Autobahnsenke heraus wird es plötzlich wieder sonnig und heiß.

In der Nähe eines Fußballplatzes, dessen letzte Rasenpflege schon ein paar Tage her ist, bietet sich eine gute Gelegenheit für eine Jause. Hier verspeisen wir das Lunchpaket, um das wir die Gastgeberin gebeten haben. Schon gestern Abend wurde besprochen, dass es auf der heutigen Etappe keine Einkaufsmöglichkeiten gibt.

Wir verlassen nun den Naturschutzpark „Chausses du Quercy“. Der Boden unter uns scheint immer karger und steiniger zu werden, ringsherum sehen sogar die Wacholdersträuche zum Teil sehr mager aus. Streng abgezäunt bekommen wir die ersten Lavendelfelder zu sehen.


Ein umherziehender Regenschauer erwischt uns so kurz, dass es den Aufwand, den Regenschutz herauszusuchen, kaum wert gewesen wäre.

Nachdem meine eigentlich recht jungen Schuhe an mehreren Stellen des Schnürsystems beginnen einzureißen, habe ich mich entschlossen, in Cahors ein neues Paar zu kaufen und die alten dem Hersteller vorzustellen. Der Weg, den uns Google Maps in das etwas außerhalb der Stadt liegende Industriezentrum leitet, ist ziemlich abenteuerlich. Ein kaum erkennbarer Pfad windet sich den bewachsenen Hang herab und endet in einem Privatgarten, wo uns ein großer schwarzer Hund anschauzt. Gottseidank ist der Besitzer bald zur Stelle und erzürnt ist er überraschenderweise auch nicht.

Der Weg durch das Einkaufs- und Industriegebiet ist keine Freude und zieht sich dahin - zum Vergleich würde ein kleiner Spaziergang irgendwo zwischen der äußeren Triesterstraße und der SCS gereichen. Im zweiten Sportgeschäft sind wir zumindest erfolgreich und machen uns sogleich mit einem Eiskaffee wieder auf den Weg Richtung Zentrum.


Auf den ersten Blick sieht die Stadt Cahors, die wir über eine Lot-Brücke erreichen, wenig schmuck aus. Doch schon im ersten Häuschen (hier zur linken) werden wir mit einem gratis Willkommensgetränk, einem Stempel für den Credencial (Pilgerpass) und einem Stadtplan samt kurzer Erklärung als Pilger herzlich Willkommen geheißen.

Cahors liegt in einer großen Schlinge des Flusses Lot und zählt etwas mehr als 20.000 Einwohner. Die Stadt geht auf eine keltische Siedlung zurück, die später von den Römern unter dem Namen “Divona Caducorum“ (später “Cadurca“) zu einer Stadt samt Theater, Tempel, Thermen und Befestigungsanlagen ausgebaut wurde. In ihrer Blüte stand Cahors im 13. Jahrhundert als wichtiger mittelalterlicher Handelsknotenpunkt. Man sagt der Stadt nach, sie habe “bereits bessere Zeiten gesehen“, doch im Laufe des Abends gefallen uns viele Winkel von Cahors ziemlich gut.

Das Lokal für das Abendessen ist nach spontanem Entscheid schnell gefunden und die Kellnerin ist gut drauf. Mir bleibt ein unangenehmer Beigeschmack auch nach dem Essen noch ein paar Minuten erhalten. Das hat nichts mit den Gerichten zu tun, sondern mit einem deutschen Paar mittleren Alters, von denen sich vor allem der Herr dermaßen belehrend und unangenehm schleimig der Kellnerin gegenüber gibt, dass wir den Augenkontakt konsequent meiden und damit dem sprachlich bedingten Smalltalk-Gespräch aus dem Weg gehen. Ich wünsche mir ein paar Mal, er würde seine guten Tipps und gönnerhaften Belehrungen, „wie dies oder das zu tun sei“, doch einfach bei sich daheim anbringen. Ohne Dessert stehen wir auf und ich mäßige mich bei einem Spaziergang durch die Stadt zur blauen Stunde.



Ein Abschiedsgetränk, am besten ein aus der Region typischer, kräftiger Malbec-Rotwein soll unseren Abend abschließen. Zufällig finden wir dieses Pub, wo eine Bluesband ihre flotten Nummern vorspielt. Der Sänger und Gitarrist tut sich schwer, bei den teilweise noch essenden Gästen Begeisterung hervorzurufen, doch sie spielen gut und schließlich gilt: LIVE-Musik ist immer etwas besonderes.

Die beiden Deutschen, die nochmals an uns vorbei spazieren, haben wir dabei schon fast vergessen. Wir gehen dankbar und müde zu Bett.

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