Ein paar Regentropfen habe ich in der Nacht noch mitbekommen, ansonsten haben wir ziemlich tief und fest geschlafen. Der Rucksack, den wir aus Gründen der Bettwanzenbekämpfung so wie unsere Schuhe in einem eigenen Raum deponieren mussten, ist schnell gepackt und um Punkt 7 Uhr sitzen wir beim „petit dejeuner“ mit den anderen Frühaufstehern (eigentlich der Großteil).
Bei einem ganz kleinen Greissler (Epicerie) besorgen wir uns Bananen und Schokolade als Wegzehrung und sind noch vor 8 Uhr auf dem Weg.

Wir gehören unter dem Tross der Pilger zu den ersten, die aus dem Lottal wieder zu der Hochebene aufsteigen. Tagsüber wird uns ringsum wieder eine hügelige Wiesenlandschaft begleiten.

Wir haben uns gemeinsam den Etappenplan angeschaut und entschieden, ab dem sogenannten Drei-Bischofs-Kreuz wieder ein wenig Abstand zu halten. Das erwähnte Kreuz steht an exakt jenem Ort, wo sich die historischen Provinzen Quercy, Rougergue und Auvergne (heute Midi-Pyrenees und Auvergne) treffen. Leider wurde es notwendig, das Kreuz aus dem 17. Jahrhundert auszutauschen - zumindest ist dieses aus dem Jahr 2013 dem vorherigen nachempfunden. Für mich trübt die nah verlaufende Starkstromleitung auch ein wenig die Magie des Ortes.

Ich habe auf dem Weg durch Cagnac ein nettes Gespräch mit zwei Franzosen und nehme mir danach wieder Zeit, meinen ganz eigenen Rhythmus zu finden. Der Horizont ebnet sich beim Ausblick über das Land mehr und mehr ein, die deutlichen Erhebungen und Vulkankegel der letzten Woche liegen schon weit hinter uns.

Meine Gedanken fischen aus dem Pool der Kirchenlieder ein paar Ideen heraus, die ich mit meinen Bandkollegen Carina und Robert zur diamantenen Hochzeit meiner lieben Großeltern Christl und Fritz, vulgo „Bisambergeroma&opa“, spielen könnte. Zwei Titel zum Kyrie spielen vor dem inneren Ohr während ich langsam mitsumme- oder singe. Die Musik hat selbst in meiner Vorstellung eine solche Tiefe und harmonische Wucht, dass ich zu Tränen gerührt bin.
Ich erreiche gedankenversunken den Stausee des Bachs Guirande, an dem einige Fischer sitzen.

Ein älterer Radfahrer der Generation „ohne Helm, dafür mit Kapperl“ spaziert in einem weißen Trikot mit roten Punkten an mir vorbei. Ich erinnere mich daran, das „maillot a pois rouges“, das Trikot des Bergwertungsführenden der Tour de France, schon oft gesehen zu haben. Die Übertragungen der „Tour“ (es gibt nur die eine wahre Tour) habe ich mir immer wieder gerne angeschaut, ich bin mir auch sicher, dass sie mein Bild von Frankreich stark beeinflusst haben.

In der Nähe eines Teichs, an dessen Rändern sich die Frösche laut machen, setze ich mich auf eine Sitzgruppe aus abgesägten Baumstümpfen und warte auf Julia. Wir verspeisen einen etwas mehligen Golden Delicious Apfel und probieren dazu die heute gekaufte Maronipaste aus der Tube - ziemlich köstlich!
An hoch stehenden Wiesen und den hüfthohen Steinmauern entlang gehen wir auf unser Etappenziel Figeac zu. Unter der drückenden Hitze wollen wir heute ein wenig früher fertig werden.



Am Campingplatz vorbei erreichen wir die Stadt Figeac, deren breiten Kirchturm man schon von weitem sehen kann. Nach der Querung des breit und flach fließenden Lot kommen wir direkt in die Altstadt.


Erster Anlaufpunkt ist wie so oft die Kirche des Ortes. Angestrengt, überhitzt und suchend findet man hier meist Ruhe, Zeitlosigkeit und vor allem auch einen kühlen Raum. Die Kirche Saint-Sauveur gründet auf eine Benediktinerabtei (hier muss ich immer an meine Gymnasialzeit denken), und stammt in ihrer heutigen Form weitgehend aus dem 17. Jahrhundert. (Starke Beschädigung während der Reformation hatten Reparaturen notwendig gemacht)

Die unterhalb liegende Südkapelle Notre-Dame-de-la-Pitie geht auf das 13. Jahrhundert zurück. An den Wänden wurde sie im 17. Jahrhundert mit Malereien der Passionsgeschichte versehen.

Auf einem der vielen Plätze der historisch-verwinkelten Altstadt trinken wir in der Nachmittagssonne einen Kaffee. Ich suche einen Friseursalon heraus, der trotz dem heutigen Montag geöffnet hat, wir schauen auf „gut Glück“ vorbei und die Madame hat gerade noch Zeit, mir die Haare zu schneiden - auch so etwas kann auf einer langen Reise notwendig werden. Mit Händen und Füßen erzählt sie mir, dass ihre Tochter schon bald nach Wien kommen würde um dort Französisch zu unterrichten. So ein Unterricht würde mir auch nicht schaden, denke ich, bezahle und bedanke mir für das super Service.

Das gestern gebuchte Hotel ist einfach beeindruckend. In den ehrwürdigen Hallen eines ehemaligen Schlosses wurden zwischen vielen Verwinkelungen und Bögen erstklassige Zimmer eingerichtet. Eines davon dürfen wir heute zu einem erfreulich günstigen Preis beziehen.


Ja, auch ein Pool gibt es - und nein, natürlich haben wir keine Badekleidung dabei. Die Unterwäsche muss reichen. Ich habe nicht das Gefühl, den besonderen innerlichen Prozess des Jakobsweges negativ zu beeinflussen, in dem ich es mir/uns manchmal gut gehen lasse. Schließlich ist dies auch mein Urlaub. (#Luxuspilger)

Eine unangenehme Wendung erfährt der Abend im Zuge des Essens in einem der wenigen geöffneten Lokale. Das Übersetzen der französischen Speisekarte nehme ich heute nicht ganz so genau und bereue es bei den ersten Bissen zutiefst. Vor mir liegt eine Wurst, die aus „in Fett eingelegtem Schweinemagen“ gemacht ist. Ich erspare weitere Details und erinnere mich lieber an den hervorragenden, wenn auch überteuerten, Wein im Hotelinnenhof und nette Gespräch mit einem jungen Ingenieur aus Glasgow, der im Zuge seiner Arbeit hier ist und die Produktionsstätte von Rolls-Royce hier im Ort besucht.
Wir freuen uns schon auf das gute Zimmer und den Schlaf.
bis morgen!
Yorumlar