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Etappe 68 - Conques nach Livinhac-le-Haut

Autorenbild: Simon ExenbergerSimon Exenberger

Die Nacht auf heute ist deutlich zu kurz. Bei einem gemeinsamen Frühstück mit Ghislaine und Christophe werden wir langsam wach. Der Abschied von den beiden macht nochmals deutlich, wie viel ihnen der Empfang der ersten Gäste bedeutet. Eine herzliche Umarmung rundet einen unvergesslichen Aufenthalt in einer einzigartigen Stadt ab. Wir winken den beiden zu und sie haben Tränen in den Augen…


Das Städtchen Conques verlassen wir über das Südtor auf einer engen Pflasterstraße abwärts.

In der steil zulaufenden Talsenke überqueren wir den Fluss Dourdou, ein Zubringer des Lot, auf der Pont des Roumieux aus dem Jahre 1410 (!).

Nach einem steilen Aufstieg über etwa 300 Höhenmeter, bei dem wir die meisten Frühstarter des Tages überholen, erreichen wir wieder die aus den letzten Tagen bekannte Hochebene. Oben erwartet uns ein Ausblick bis zum Horizont und ein starker Ostwind.

Wie der Ausflug einer großen Schulklasse sieht es von weitem aus, wenn sich eine Gruppe Pilger zusammengeschlossen hat. Es ist schwer, den „typischen“ Pilger hier zu beschreiben. Wenn ich es jedoch versuche, denke ich an einen Franzosen in den ersten Jahren seiner Pension, der nun Zeit findet, dieses Projekt in die Tat umzusetzen.

Über weite Strecken führt der Weg recht eintönig kaum befahrenen Landstraßen entlang. Ein dauerhafter Begleiter ist der weitreichende Ausblick.


Als wir die Chapelle Saint-Roch erreichen hat ein neu aufgetretenes Problem meine ganze Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Meine unmittelbar vor dem Frankreich-Abschnitt gekauften Trekkingschuhe zeigen bereits nach 14 Tagen (zugegeben intensiver Nutzung) grobe Anzeichen der Materialermüdung. Das Problem ist, dass die Laschen, durch die das Schürsystem führt, beginnen einzureißen. Top vorbereitet habe ich selbstverständlich ein kleines Nähzeug dabei und Julia beginnt unter meinen zweifelnden Blicken recht erfolgssicher, die angezählten Textilstellen an meinen Schuhen zu verstärken.

Bald darauf beginnen wir mit einem zähen Abstieg über 400 Höhenmeter. Wir stimmen überein, dass uns das bergaufgehen deutlich lieber ist, als das bergabgehen - auch mit Wanderstöcken.

Im Tal liegt der eher schmucklose ehemalige Industrieort Decazeville, den die Hauptroute des Jakobsweges eigentlich nur streift. Die Stadt wirtschaftete seit dem 16. Jahrhundert mit dem Kohlebergbau und beherbergte gegen Ende des 19. Jahrhunderts bis zu 9.000 Arbeiter, die im Jahr bis zu einer Million Tonnen Gusseisen produzierten. Unser Hunger treibt uns ins Ortszentrum, wo wir eine skurrile, bläuliche Lichtinstallation in der großen Kirche vorfinden. Gegenüber hat erfreulicherweise auch Sonntags eine Patisserie geöffnet. Hier lassen wir uns gern nieder und probieren Quiche und Süßspeisen.

Als wir aufbrechen trennen uns „nur“ noch 5 Kilometer von unserem Tagesziel Livinhac-le-Haut, wo Julia ein Zimmer in einem der wenigen verfügbaren Gite-Unterkünften reserviert hat. Unerwartet haben wir auf dem Weg dorthin einen weiteren kleinen Hügel zu überwinden. Die Strecke kommt uns in der heiß-schwülen Nachmittagssonne jedenfalls sehr anstrengend vor. Schließlich kommt das Dorf jedoch hinter dem Fluss Lot in Sichtweite.

In unserem Gite nächtigen heute etwa 25 weitere Pilger. Ein einziges Badezimmer ohne weitere Waschbecken je Stockwerk ist in unseren Augen als Infrastruktur für so viele Menschen ein bisschen dürftig. Entsprechend großzügig sind wir bei der Buchung der Unterkunft für morgen...


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