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Etappe 62 - Monistrol-d‘Allier nach Le Villeret d‘Apchier

Autorenbild: Simon ExenbergerSimon Exenberger

Beim Frühstück treffen wir heute auf jene Pilger, die wir gestern beim Abendessen kennengelernt haben. Die Runde ist bunt gemischt und gerade so groß, dass sich eine familiäre Atmosphäre einstellt. Als wir die Gite‘dEtape verlassen, liegen die Reste des Morgennebels noch über dem Tal des Allier.

Gleich zu Beginn der Tagesetappe haben wir etwa 500 Höhenmeter zu überwinden, um auf der das schluchtartige Tal wieder Richtung Westen zu verlassen. Das Alliertal bildet auch die natürliche Grenze zwischen dem vulkanischen Velay und dem Margeride-Bergland, einer Gegend, mit wenig Besiedelung und nährstoffarmen Böden, die hauptsächlich zur Viehzucht genutzt wird.

Auf halbem Weg nach oben passieren wir die Chapelle de Madleine, die imposant in den Felsen gebaut ist. Vor der Kapelle, die leider verschossen ist, wartet ein Kletterer auf seinen Partner.

Von oben bietet sich ein toller Ausblick auf das hinter uns liegende Tal. Allmählich hat sich der Nebel gelöst und Kaiserwetter hat sich eingestellt.

Eine überraschende Begegnung bereitet uns ein Bauer aus der Gegend, der mit seinem Holzkarren auf Pilger und andere Wanderer wartet, um ihnen energiereiches Kletzenbrot anzubieten. Die Kostprobe schmeckt so frisch und gut, dass wir das Angebot nicht ausschlagen können und ein kleines Stück mitnehmen. (Sicherlich geht es so manchem Anrainer nur ums Geschäft - dieser hier ist charmant und sein Produkt schmeckt. Mir eigentlich egal, ob die Süßigkeit einen Euro mehr oder weniger kostet…)

Die nun betretene Hochebene ist ein angenehmes Wandergebiet. Auf Pfaden und Forstwegen kommen wir an Schafherden, Viehweiden und Bauernhöfen vorbei.

Heute fällt uns besonders auf, wie das gelb des Löwenzahns und auch die Blüten früher erwähnter - noch immer nicht identifizierter - Pflanzen die Landschaft aufhellen und ihr Farbe verleihen. Es ist, als würde der Landstrich freundlich leuchten.

Eine Zeit lang gehen wir mit der jungen Familie aus der Normandie gemeinsam. Die beiden tragen ihr kleines Kind vor dem Körper und einen Tagesrucksack am Rücken. Es ist nachvollziehbar, dass sie für all das zusätzliche Gewand und übrige Equipment, dass ein 5-monatiges Baby braucht, einen Gepäcktransport in Anspruch nehmen.

Einige skurrile Holzskulpturen zieren den Wegrand als die Kleinstadt Sauges hinter einem Hügel in der Senke auftaucht. Wir lesen nach und erfahren von einer wahren Begebenheit aus dem späten 18. Jahrhundert, als sich eine Serie von brutalen Todesfällen zugetragen hat. Die Toten wurden einem Wolf oder anderen wilden Tieren zugeschrieben, auf die sogleich ein Kopfgeld ausgeschrieben wurde. Schließlich konnte die schreckliche Serie von tödlich Verletzten Frauen und Kindern nie geklärt werden. Später ging die Handlung in einer Vielzahl von schauerhaften Erzählungen und Filmen über die „Bestie vom Gevaudan“ auf.

Wir erreichen die heute friedliche und beschauliche Kleinstadt Sauges und gehen zum Zentrum, wo der „Tour des Anglais“, der Bergfried, als einziges Überbleibsel einer Burg aus dem 14. Jahrhundert, steht.

Nach einem Besuch der frühromanischen Kirche genießen wir auf dem sonnigen Hauptplatz einen Kaffee und damit eine kleine Pause. Im Anschluss besorgen wir uns bei einer Patisserie zwei Stücke Quiche, verzehren diese am Stadtrand und machen uns wieder auf den Weg.


Mit steigender Sonne wird es warm und die Landschaft wie angekündigt karg. Es ergeben sich Blicke auf den Weg, wie man sie sich vielleicht instinktiv vorstellt, wenn man an den Jakobsweg denkt. „15 Grad mehr und keine Bäume?“, geht mir durch den Sinn, als ich an Spanien denke.

Als wir den Ort Le Clauze durchwandern, ziehen kurzfristig dichte Wolken über einen einzelnen Turm einer weiteren ehemaligen Wehranlage.

Aufgrund der angenehmen Temperaturen heute ist es kaum zu merken, dass wir nun dauerhaft auf etwa 1.000 bis 1.200 Höhenmetern wandern. Die das Relief ist sanft hügelig und strahlt eine ländliche Gelassenheit aus.

Früher als geplant erreichen wir die „Gite de 2 Pelgins“, setzen uns in die Sonne und warten, bis die Herberge um 16 Uhr öffnet.


Wir erfahren, dass es hier eine spezielle Übernachtungsmöglichkeit gibt, und wollen uns die seltene Gelegenheit nicht entgehen lassen: Die Hirten der Gegend nächtigten in früherer Zeit bei den Tieren auf der Weide und nutzten dafür mitgeführte kleine Wagen, in die sie sich zurückziehen konnten.

Heute haben wir bereits andere Pilger beobachtet, die intensiv nach Übernachtungsmöglichkeiten gesucht haben. Aus diesem Grund sind die Unterkünfte der kommenden Tage bereits gebucht - dabei haben wir uns ziemlich große Strecken vorgenommen und gehen daher heute sehr früh ins „Bett“.


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