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Etappe 50 - Chanaz nach Yenne

Autorenbild: Simon ExenbergerSimon Exenberger

Mit einem Blick auf den Canal de Savieres erwachen wir gegen 8 Uhr in unserem Dachzimmer des „le Doux Nid“. Das Ausschlafen war notwendig, hinsichtlich des Frühstücks ab 08.30 sinnvoll und auch das Wetter lädt heute nicht zu einem Frühstart ein.

So sehr man das Dachzimmer samt ausklappbarer Zustiegstreppe, die keiner Brandschutzüberprüfung stand halten würde, auch kritisieren kann - das Frühstück ist empfehlenswert. Wir orientieren uns entlang der gewohnten gelben Muschel auf blauem Hintergrund und beginnen mit dem Aufstieg auf den Mont Landard.

Ein wenig Abseits des Dorfes passieren wir die gut erhaltene Mühle.

Im Gegensatz zum gestrigen Tag präsentiert sich der Oktober heute zunächst von seiner kühlen und feuchten Art. Der Hochnebel hält sich an dem Bergrücken, den wir nun entlangwandern, sehr dicht. Ich erinnere mich an die trüben Herbsttage, die sich morgens anfühlen, als wolle der Tag nicht so recht beginnen. Ein tiefes Durchatmen - wie in einem kühlen Dampfbad.

Durch eine Handvoll kleiner Weiler gelangen wir in nebelbehangene Weinberge. Auch die alten Weinstöcke beginnen sich an die kalte Jahreszeit zu gewöhnen. Obwohl kein Weitblick möglich ist, fasziniert uns die Landschaft.

Passend zum nahenden Ende des Oktobers, zu dem vielerorts Halloween gefeiert wird, passieren wir einen kuriosen Waldabschnitt. Die Dauerfeuchte eines nahen Bachlaufs hat hier ein gutes Klima für Moos geschaffen, das die Bäume und Sträucher überzogen hat. Das sterbende Holz beugt sich und sieht aus wie haarige Spinnenbeine.

Auf dem Weg zum nächsten Ort male ich mir eine gruselige Nachtwanderung aus. Zum wiederholten Mal frage ich mich, ob es um Halloween herum auch ein weniger kommerzialisiertes sondern mehr spirituelles Brauchtum gibt und nehme mir vor, nachzuforschen.

Hinter Vraisin wandern wir erneut durch Weinberge, deren schönen Anblick ich nicht vergessen möchte.

Am Hof des Chateu de la Mar steht ein feuerrot leuchtender Baum, der schon von Weitem sichtbar ist. Leider ist das Schloss, in dem man sonst Weinverkostungen genießen und Feste feiern kann, geschlossen. Schon beim Betreten des Hofes macht eine lichtschrankengesteuerte Klingel deutlich darauf aufmerksam.

Mit uns arbeiten sich einige Rennradfahrer die steile Straße nach Jongieux le Haut hoch. Die Pfarrkirche inmitten der Weinberge bleibt mir mit einer Neugestaltung der Kreuzwegbilder, die mir so gar nicht gefallen hat, in Erinnerung. Eine Viertelstunde später schauen wir zurück auf den Ort und die Weingärten.

Während wir nun zur Kapelle St. Romain hochsteigen, wird es von Minute zu Minute heller. Wir sprechen über die umliegenden Weingärten, die Sinnbild für langjährig kultiviertes und gepflegtes Land sind. Die inhaltliche und metaphorische Bedeutung, dass lange und intensive Handarbeit zu einem hohen Genuss führen kann ist nicht nur biblisch, sondern auch abseits davon weit bekannt.

Bei der Kapelle, dem höchsten Punkt der heutigen Etappe, angekommen, genießen wir den grandiosen Ausblick. Eine kraftvolle Sonne löst gerade die Nebelschwaden auf und gibt den Blick auf das Umland frei.

Das Verweilen an diesem Platz ist ein Hochgenuss und wir haben heute die Zeit, diesen Moment voll auszukosten. Im Anschluss führt und ein steiler Pfad abwärts ins Tal, wo uns die warme Herbstsonne empfängt. Der „goldene Herbst“ - heute präsentiert er sich in all seinen schönen Farben.

Der restliche Weg nach Yenne, unserem Etappenziel, verläuft nun wieder entlang der Rhone. Ein Pfad schlängelt sich wie ein Slalom durch den ruhigen Wald. Ich denke darüber nach, wie glücklich sich manche Dinge - wie das Wetter heute am Aussichtspunkt - doch fügen und wie dankbar man für solche Situationen sein darf - wenn es überhaupt auffällt. Erneut fällt mir der Spruch von einer Hauswand in der Schweiz ein: „An Gottes Segen ist alles gelegen!“

Bevor wir in die Kleinstadt Yonne gelangen verabschieden wir uns hier von der Rhone, die wir auf diesem Abschnitt des langen Weges wohl nicht mehr direkt treffen werden.

Der Ort Yonne ist geprägt durch die alte Bausubstanz und empfängt uns auf einem langgezogenen, ruhigen Hauptplatz, durch den ein Bach verläuft. Ein gutes Stück Weg ist noch zum Supermarkt zurückzulegen, wo wir uns mit Proviant für den kommenden Sonntag eindecken. Ein Detail dazu: Im Lebensmittelgeschäft wird von uns verlangt, den Rucksack bei der Kasse abzugeben - so etwas bin ich auch nicht gewohnt.

Beinahe 80 Kilometer auf den letzten beiden Tagen haben diese kürzere, 50. Jubiläumsetappe heute notwendig und erholsam gemacht. Morgen wartet wieder ein ziemlich bergiges Teilstück auf uns.


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1 commento


Hermann Exenberger
Hermann Exenberger
17 ott 2021

Lieber S i m o n ,

jetzt sind es schon bereits 50 Etappen, so ist es höchste Zeit dir wieder

Dankeschön zu sagen für die wunderbaren Berichte und die Bildgestaltung.

Heute Sonntag in Ö1 in der Lebenskunstsendung gleich nach 7 Uhr am Morgen war auch von Jakobsweg die Rede. A. Schultes machte die Bibelbetrachtung aus MK 10, 35-45. wo es eben auch um den Jakobus ging.

Für Euch b e i d e n weiterhin eine gute Zeit und viel Wanderfreuden darf ich mit senden.

Liebe Grüße dein Opa

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