
Im Zelt aufwachen hat definitiv eine ganz eigene Magie - fühlt man während man gemütlich auf der Couch liegt und romantische Bilder im Fernsehen sieht. In der Realität fühlt man sich etwas unausgeschlafen, muss anschließend alles zusammenpacken und wünscht sich wirklich eine Dusche. Eine Katzenwäsche und einen halben Liter Wasser von der öffentlichen Toilette des Klosters später scheint alles vergessen: Ein traumhafter Tag erwartet uns.

Hinter der Kirche gehen wir steil bergab und treffen im Tal auf den Aggsbach, dem wir anfangs auf der Forst- und später Landstraße talauswärts folgen. Im Wald ist es angenehm kühl und duftet frisch, am Asphalt wird es sehr bald heiß (ein Vorgeschmack auf das was uns heute später noch erwarten sollte). Südlich der bekannten Burgruine Aggstein liegt der Ort "Aggsbach Dorf", wo wir in südliche Richtung nach Wolfstein abzweigen. Etwa fünf Minuten nach dem Ortsende kommen wir zur "Kartause Aggsbach" und legen staunend eine Pause ein. Der Meditationsgarten, in dem der Blau- und Weißregen in voller Blüte steht strahlen eine unglaubliche Magie aus - wo mir die Worte ausgehen lasse ich lieber Bilder sprechen.




Nach dieser beeindruckenden Pause setzen wir die Route Richtung Süden fort während die strahlende Sonne die Temperaturen rasant antreibt.

Wir passieren Wolfstein, folgen dem Raintal und kommen vor Gerolding aus dem Wald heraus. Auf dem, über das Donautal erhabenen Plateau bietet sich ein wunderschöner Ausblick Richtung Melk und das hügelige südliche Waldviertel am Nordufer der Donau. Inzwischen ist es wirklich heiß geworden - höchste Zeit die Trinkflaschen bei der Kirche aufzufüllen. Bei einem Rundgang um das Gotteshaus halte ich im Anblick des Friedhofs mit Aussicht inne.


Von hier aus "finden" wir unseren eigenen Pfad durch die Hügel und Felder hinab zur schönen blauen Donau, auf die wir bei Schönbühel treffen. Hier steht in prominenter Lage ein Schloss, das wie der "Türsteher der Wachau" wirkt. Nun folgt für uns der harte Teil des Tages: etliche Kilometer lang deckt sich die Route mit dem Donauradweg - ein Streckenabschnitt bei dem uns die brennende Sonne und der reflektierende Asphalt einiges an Durchhaltevermögen abverlangen. Irgendwann brennen die Füße so sehr, dass ein kurzer Stop mit Fußpflege notwendig wird.

Wir haben uns entschieden, der Wegempfehlung von Peter Lindenthal zu folgen und die Stadt Melk auszulassen, da die Variante über das südliche Waldviertel landschaftlich reizvoller klingt. Bei der Pielachmündung übersetzen wir mit der Donaubrücke Melk auf das Nordufer, wo uns umgehend weitere Kilometer auf dem asphaltierten Donauradweg erwarten. Der Tourenführer verspricht, dass die lange Geradeaus-Passage mit dem Blick auf das Stift Melk schnell bewältigt ist. Bei uns ist es heute eher die Tankstelle, wo Wasser getankt und ein Twinni gekauft wird. Etwa zwei Stunden später biegen wir endlich nördlich ins Gelände ab und verlassen die Donau Richtung Leiben. Die Höhenmeter zum Etappenziel werden nun schon merklich langsam, aber trotzdem froh darüber die scheinbar endlose Gerade im Tal verlassen zu haben, absolviert.

Wir spüren es in den Beinen und im Magen: Diese Etappe hat es in sich. Am Ende des Tages werden es etwas mehr als 30 km mit ca. 11 kg Gepäck und 26 Grad Temperatur sein - falls jemand Vergleichswerte hat... das ist ein Tag mit 55.000 Schritten. Unsere Hoffnung auf einen Heurigen, Buschenschank oder ein Gasthaus wird an diesem Montag in Leiben leider jäh enttäuscht. So wird der kleine Nah&Frisch gleich zwei mal geplündert - wir statten uns mit Weckerln und elektrolytischen Hopfenblütenteegetränken aus und machen uns unter den neugierigen und etwas skeptischen Blicken der Friedhofsblumen pflegenden Einheimischen auf die Suche nach einem Zeltplatz. Zu diesem Thema muss man festhalten, dass "wildes campieren" in Österreich generell untersagt ist - auch wenn sich über den Sinn des Gesetzes diskutieren lässt, wie ich finde. So überlegen und suchen wir nach einem abgeschiedenen Plätzchen, wo wir niemanden stören und vor allem auch von niemandem gestört werden (die Diskussion mit dem Bauern oder Jäger wollen wir uns wirklich ersparen). Gegen 6 Uhr Abends brechen wir dann von der Dorfkirche aus nochmals Richtung Westen auf und finden etwa 2 km später einen wunderbaren Zeltplatz am Waldrand. Umgehend beginne ich mit der Schmalspur-Körperpflege ;)

Während die Sonne langsam hinter dem Hügel verschwindet denken wir in Anbetracht unserer heutigen Schlafplatzsuche darüber nach, wie es wohl sein muss, nie sicher zu wissen, wo man Abends schlafen kann. Eine bedrückende Vorstellung! Wir haben uns diesen Modus aufgrund der aktuell gesperrten Hotellerie bewusst ausgesucht, uns vorbereitet und wir wissen, dass morgen wieder eine Dusche und ein Bett auf uns warten. Mein Fazit zum "wild-campieren": Sicher hat es einen besonderen Reiz, 72 Stunden durchgehend in der Natur zu sein, die Freiheit zu spüren und das Abenteuer zu leben. Mit den modernen Materialien (das von einem lieben Arbeitskollegen geborgte Ultra-Lightweight Zelt wiegt nur etwa 2.5 kg!) ist dieser Modus zwar machbar, kommt aber mit Komfort-Einbußen (auch wenn die Ausrüstung gut ist), dem unangenehmen Suchen des Zeltplatzes und dem Umstand, dass wir uns jeweils 7-10 Zecken vom Körper gepflückt haben. Insofern muss man sagen: das muss man wirklich wollen ;)
Ich schließe den Eintrag mit einem der anfangs erwähnten Bilder, die die Magie des Zeltens zeigen.
Gute Nacht :)
simon

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