Der Frühstücksraum in der Auberge Communale ist heute Früh bunt gemischt: Ein Herr im feinen Anzug, einige Mitarbeiter eines Logistikunternehmens und wir Wandersleute. In der kalten Morgenluft suchen wir die nächste Postfiliale auf und verschicken Grüße nach Hause. Der bisherige Wegführer wird dabei gleich mitgeschickt, um für die kommenden Tage Gewicht zu sparen.

Für den heutigen Donnerstag haben wir uns viel vorgenommen. Der Weg wird uns aus der Schweiz heraus und nach Frankreich hineinführen. Am Ende sind es beinahe stolze 40 Kilometer und fast 1000 Höhenmeter geworden.

Nachdem der Großraum Genf hinter und liegt kommen wir bald bei der Burg von Compesieres vorbei. Neben der romanischen Kirche St. Sylvestre aus dem Jahr 1270 steht die Burg des Maltesterordens aus dem 15. Jahrhundert. Der Gebäudekomplex wurde ursprünglich als Hospiz für Pilger gebaut, später als Militärspital verwendet und beherbergt heute ein Museum über den Orden der Malteser.


Nur wenige Minuten später ist es schließlich soweit: Wir verlassen das Staatsgebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft und betreten das große Frankreich. Es ist ein Grenzübertritt, der sich innerlich deutlich spektakulärer anfühlt, als „in natura“. Ein Wegweiser und ein Schranken - das wars.

In Frankreich überqueren wir zunächst die Autobahn A40 und gelangen in ländliches Gebiet. Die Felder sind inzwischen weitgehend abgeerntet und die Folientunnel der Gemüsebauern fast leer.

Wir queren Neydens und müssen nun etwa 400 Höhenmeter in Richtung des Massif du Saleve hochsteigen. Hier erreichen wir kurz nach Mittag die Ortschaft Beaumont, wo die rosarote Dekoration auf den Frauengesundheitsmonat Oktober aufmerksam macht.

Nach einer kurzen Pause wandern wir dem Gebirgszug an der Flanke entlang Richtung Süden. Dabei ergeben sich immer wieder fantastische Ausblicke über die Landschaft, zurück auf den Genfersee samt Stadt und das gegenüber liegende schweizer und französische Juragebirge. Ein gut erhaltenes Schloss genießt eine solche Lage und kann zum Feiern von Hochzeiten gemietet werden.


Einem leicht ansteigenden Weg folgend erreichen wir bald die Hügelkuppe bei St. Blaise, wo wir einen gigantischen Rundumblick genießen. Zum Weitergehen drängt ein beißender Wind, der sich im Schatten ziemlich kalt anfühlt. Ein häufiges An- und Ausziehen verschiedener Kleidungsschichten ist daher heute die Folge.

In den Nachmittagsstunden entwickelt sich ein kurzweiliges auf und ab zwischen kleinen Bauerndörfern, ausgedehnten Wiesen und kleinen Waldstücken dazwischen. Topographisch ist es eine Hügelkette, die den Namen “Montage de Sion“ trägt. Die Weite der Landschaft und der ziellos schweifende Blick machen die Stunden zu einem angenehm ruhigen Erlebnis. Gerade nach den Tagen im dicht besiedelten Raum tut dieser Ausgleich sehr gut.




Eine auffallende landschaftliche Veränderung ist nun auch wieder die Bauweise. Breite Mauern aus Natursteinen, Türen mit alten Holzüberlagern, Höfe mit tiefen Vordächern, Feigen und Olivenbäume sowie hüfthohe Gartenmauern bestimmen das Siedlungsbild. Zusammen mit dem flach einfallenden Herbstlicht sieht das äußerst reizvoll aus.

Während die Sonne langsam zu sinken beginnt und die Schatten der Bäume immer länger werden, sind wir heute immer noch unterwegs. Zwischen Maisfeldern und durch lichte Waldstücke verläuft unsere Route.


Bei Contamine-Sarzine werden wir von den jungen Stieren gemustert. Weit hinter ihnen ist der in der Abendsonne leuchtende Mont Blanc zu erkennen.

Inzwischen haben die Kirchenglocken 6 Uhr abends geläutet. So spät am Tag noch unterwegs zu sein hat Vor- aber auch Nachteile. Eine späte Ankunft drängt das Abendprogramm (duschen, waschen, essen, vorbereiten, Fotos sortieren und bearbeiten, Beitrag verfassen) auf wenige Stunden zusammen - andererseits präsentiert sich das Land kurz vor dem Sonnenuntergang manchmal in seinen allerschönsten Farben.

Bevor wir uns heute zur Ruhe setzen können ist tatsächlich auf den letzten Metern noch eine Schlucht zu überwinden. Etwa 150 Höhenmeter führen uns steil zur Cascade de Borbannasz hinunter. Nichts ahnend erreichen wir die Brücke über die Schlucht, die vom warmen Abendlicht durchflutet wird. Es ist ein unbeschreiblicher Anblick.

Mit schweren Beinen steigen wir auf der anderen Seite der Schlucht wieder hoch und erreichen mit dem allerletzten Sonnenlicht des Tages den malerisch am Hügel liegenden Ort Chaumont.

Die liebenswerten Gastgeber des „Le Manoir“ reservieren uns einen Tisch im Gasthaus und zeigen uns das Zimmer in ihrem aufwendig renovierten Haus aus dem 14. Jahrhundert. Nach einem guten Mahl sortiere ich die Fotos und schlafe dabei fast ein und vertage das Schreiben auf später. Müde aber stolz fallen wir in einen tiefen Schlaf..

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