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Etappe 42 - Fribourg nach Romont

Autorenbild: Simon ExenbergerSimon Exenberger

Nach dem Wachwerden mache ich einen Blick aus dem riesigen Fenster und stelle fest, dass es in der Nacht erneut geregnet hat. Das Wetter bleibt also wechselhaft, doch ich bin froh, dass die größten Regenmengen in den Nachtstunden fallen. Beim Frühstück probiere ich einen Striezel, der vor lauter Butter richtig schwer ist. Dazu treten auf einer weiteren Butterschicht Nutella gegen den Ovomaltineaufstrich an - bei den aktuellen Tageskalorien kein Problem… ;)

Kurz nach 9 Uhr breche ich auf und muss zunächst ins Stadtzentrum zurück und anschließend zum Bahnhof weitergehen. In der Nähe desselben steht eine reformierte Kirche und ich versuche nochmal mein Glück, einen Pilgerstempel aus der Stadt Fribourg zu ergattern. Statt des Stempels gibt es einen Innenraum zu sehen, der auf das absolut Notwendigste an Einrichtung reduziert ist.

Zu schnell gefrühstückt, zu viel Gewand an, zu kräftige Steigung? Ich weiß es nicht recht, aber mein Kreislauf tut sich heute schwer in Schwung zu kommen, beinahe muss ich mich kurz hinlegen um ein Blackout zu vermeiden. Gottseidank ist das unwohle Gefühl bald vergangen und ich bewege mich durch die Wohngegenden auf den Stadtrand zu. Bei einem angrenzenden Industriegebiet biege ich in den Wald ab. An jener Stelle steht dieses alte „Jakobskreuz“, wo sehr viel früher eine Pilgerkapelle gestanden hatte.

Ich durchquere den Wald, die Vorortesiedlung Villars-sur-Glane, sowie die Eisenbahn und steige zwischen Feldern und Wald zum Fluss Glane ab. (An dieser Stelle muss ich festhalten, dass ich die französischen Namen und Begriffe ohne diverser accents schreibe - weil das auf dieser reduzierten Tastatur eine ziemlich langwierige Aufgabe wäre.)

Überrascht werde ich von der Schönheit der Brücke St. Apolline, die die beiden Ufer der Glane verbindet. Das heutige Bauwerk stammt aus dem frühen 19. Jahrhundert. Funde belegen aber, dass der Ort schon viele Jahrhunderte zur Flussquerung genutzt wurde.

Durch einen anschließenden großen, friedlichen Wald trotte ich auf den Ort Posieux zu. Die Ruhe und der unkomplizierte Weg lassen meine Gedanken rasch abschweifen. Die Zeit vergeht wie im Flug.

In Posieux komme ich bei der malerisch am Hügel gelegenen (und leider geschlossenen) Kapelle Sacre-Cour vorbei, unterquere ich die Autobahn A12 und wandere auf den kleinen Hügel des angrenzenden Orts Ecuvillens hinauf.

Am Ortsausgang werde ich auf regen Flugverkehr aufmerksam und umgehe gleich darauf ein Flugfeld für kleinmotorige Maschinen westlich um dann Richtung Süden wieder in ein Waldstück abzubiegen. Viel Verkehr: einer landet, einer wartet.

Eine weitere Stunde verbringe ich im Wald mit allerlei Gedanken. Es ist angenehm, bei weniger Attraktion heute wieder einmal tief in mich gehen zu können. Von philosophisch-theologischen Fragen bis zum Songwriting vor dem inneren Ohr ist da alles dabei. Bei dem Weiler Posat muss ich wieder nach den gelben Wegtafeln Ausschau halten und komme so zu einer Wallfahrtskapelle. Sie ist das Überbleibsel eines, bis ins 16. Jahrhundert existenten Nonnenklosters.

Über eine Holzbrücke übersetze ich den Fluss Glane zum zweiten Mal heute, steige aus dem Flusstal wieder hoch und lege eine kurze Teepause ein. Der restliche Weg nach Autigny führt mich an großen Weideflächen und Höfen, die auf Schildern stolz darauf hinweisen, Milch zu produzieren, die für die Herstellung des bekannten „Gruyere“ Käse verwendet wird. Als gerade die Sonne wieder zum Vorschein kommt, halten die Kühe gerade Siesta und für mich wird es wieder Zeit, die Anzahl der Gewandschichten anzupassen.

Hinter Autigny wandere ich erneut zum Fluss Glane hinunter und passiere ihn zum dritten Mal bei der ehemaligen Mühle „de Chenens“. Dass ich den diesen Fluss heute so häufig überquert habe, fällt mir tatsächlich erst jetzt beim Schreiben auf - wohl ein Beweis dafür, wie gedankenverloren ich heute vor mich hin gewandert bin.


Die letzten zwei Stunden des Tages verläuft der Weg sehr eben Richtung Südwesten. In diesem flachen Gebiet greift nun ein kräftiger Nordostwind durch. Ich schütze mich mit der Regenjacke und einem Schlauchtuch, um nicht vollkommen auszukühlen.

Schon früh wird das, auf einem etwa 1km langen und 600 Meter breiten, 90 Höhenmeter erhabenen Hügel befindliche, mittelalterliche Städtchen Romont sichtbar. Der Name der 5.000 Einwohner Gemeinde leitet sich vom lateinischen „rotundus mons“ (runder Berg) ab und gilt heute als Zentrum der Glasmalerei in der Schweiz.

Kurz vor dem Anstieg zu meinem heutigen Etappenziel hier noch ein Blick zurück auf ein Wegkreuz und das im Hintergrund liegende Zisterzienserinnenkloster aus dem Jahr 1269.

Oben angekommen erwartet mich eine heute windige und ruhige, mittelalterliche Kleinstadt. Bevor ich mein Hotel aufsuche, statte ich der Kirche einen Besuch ab.

Das Innere der Kirche zu Maria Himmelfahrt versetzt mich gedanklich in eine andere Zeit. Erbaut wurde die gotische Stiftskirche im 15. Jahrhundert.

Mit einem Ausblick über das freiburger Mittelland und einer ausgesprochenen Empfehlung für das Hotel St. Georges samt Restaurant verabschiede ich mich in Vorfreude auf morgen, da mich meine Schwester begleiten wird.


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1 則留言


Hermann Exenberger
Hermann Exenberger
2021年10月08日

Lieber Simon, ich genieße wieder die Bilder und verkoste deine Texte.

Nach einer Gehstrecke von über ca. 30 KM und eine Gehzeit v. 6,5 h ( bei Wind und Regen ) sich noch hinzusetzen und zu SCHREIBEN, ist schon eine ganz besondere Leistung.

"Du gehst auch immer wieder einmal tief in dich hinein". Von philosophischen-theologischen Fragen... Dazu lese ich bei Henri Boulad: Zu Fuß gehen heißt mit dem Herzen gehen. Eine der reichsten Erfahrungen, die ein Mensch machen kann, ist eine Reise. Er mein aber nicht eine Reise, die von einem Reisebüro organisiert sind, sondern eine jener Reisen, zu denen man aufbricht, ohne genau zu wissen wohin; bei denen das Unvorhergesehene zum täglichen Brot wird, bei denen man nicht weiß…


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