Beim Wachwerden ergibt sich heute Früh das gleiche Bild wie die letzten Tage auch: Um 07.30 regnet es noch fleißig und ich lasse mir mit der Morgenroutine etwas mehr Zeit. Als ich gegen 09.00 vor das Hotel trete, sitzen die ersten „Tagesgäste“ bereits bei einem Bier in der Sonne. Der schnelle Wetterwechsel beschert mir heute morgen den Blick auf einen Regenbogen.

Beim Supermarkt Coop mache ich einen kurzen Halt und besorge mir - auch das ist ein kleiner Brauch geworden - ein „Schoggiweggli“, ein Brioche-Gebäck mit Schokoladenstücken drin, weil es mir einfach zu gut schmeckt..
Die ersten Tageskilometer führen mich zwischen Bauernhöfen hinunter zum Fluss Sense. Der gepflasterte Weg aus der Römerzeit ist direkt durch den Fels gehauen und ziemlich beeindruckend. Ich frage mich ob es nicht irgendeinen anderen Weg gegeben haben müsste - doch vor dem Aufwand werden sich unsere Vorfahren das wohl gut überlegt haben.

Entlang der Sense finde ich große Parkplätze vor und lese gleich darauf auf einer Hinweistafel, dass das, im Sommer beliebte Erholungsgebiet, neu gestaltet und renaturiert werden soll. Nachdem der Fluss gequert ist steige ich einige Meter aus dem Tal hoch und erreiche bald die Ortschaft Heitenried. Prägend für die Streusiedlung ist die neugotische Michaeliskirche, die Anfang des 20. Jhdt. erbaut wurde.

Ich betrete den Innenraum, höre die behutsamen Melodien einer Trompete und bleibe fasziniert stehen. Nach einigen Minuten nehme ich den Rucksack vorsichtig ab und suche meinen Pilgerpass heraus, um ihn abzustempeln. Als sich der Musiker zu mir umdreht, grüße ich und sage, ich wolle nicht lang stören. Er lacht und meint, dass ihn meine Anwesenheit keinesfalls stören würde. Nach einem weiteren Musikstück kommen wir in ein nettes Gespräch, bei dem er mir erzählt, dass er Orchestermusiker sei und unter anderem deshalb so gerne in Kirchenräumen übe, weil das hier benötigte Luftvolumen eine gute Kraft- und Ausdauerübung sei. Er ist sich sicher, dass Menschen Musik brauchen und hofft, bald wieder für Andere spielen zu dürfen - da sind wir beide uns ganz einig!

Die natursteingepflasterten Straßen der Römer, über die ich heute wandere, lösen immer wieder große Bewunderung aus. Wannimmer mir bewusst wird, wie alt die Wege sind, auf denen ich gehe, muss ich daran denken wie enorm anstrengend und aufwendig das Reisen zur damaligen Zeit gewesen sein muss. Heute entwickeln wir das autonome Fahren und vielleicht auch bald Luft-Taxis - ich bin zwar per pedes unterwegs, aber mit guter Ausrüstung und komfortablen Quartieren… damals aber war an all das nicht einmal zu denken. „Eine Reise machen“ war wohl mit größter Unsicherheit verbunden.

Als es wenig später zu regnen beginnt, versuche ich positiv zu denken. Dem Großteil des Regens konnte ich in den letzten Tagen entgehen und auch das Blätterdach bietet manchmal guten Schutz. Der Schauer wird kräftiger und das Prasseln kommt mir gar zu sehr hart vor: Ich halte meine Hand auf und schnell sammeln sich kleine Hagelkörner darin. In so einem Augenblick am freien Feld hilft nichts mehr. Da muss ich jetzt einfach durch.

Keine 15 Minuten später ist alles vorbei und zwei besonders hübsche Kühe begrüßen mich am Ortseingang von St. Antoni. Die Milchwirtschaft spielt in dieser Region treffenderweise eine bedeutende Rolle. In vier Käsereien werden täglich bis zu 16.000 kg Milch verarbeitet.

Während die Kirchenglocken der Ortskirche zu Mittag läuten, scheint bereits die Sonne und ist eine Wohltat. Die Kleidung trocknet schnell und mir ist bald wieder warm.
Ich folge dem Bach Taverna und treffe nach etwa 40 Minuten in der Ortschaft Tafers ein. Der Name leitet sich aus dem Lateinischen ‘taverna‘ (das Gasthaus) ab und gibt einen Aufschluss über die Situation zur Römerzeit. Eine liebevoll gestaltete, alte Jakobuskapelle weist auf die Bedeutung des Standorts für frühere Jakobspilger hin.

Ohne größere Pausen verlasse ich Tafers wieder, weil ich mich auf die Besichtigung von Fribourg freue und dafür genug Zeit haben möchte. Kaum zu glauben, aber auch zwischen dem letzten Bild und dem folgenden liegen nur etwa 15 Minuten (und eine andere Himmelsrichtung).

Der Blick nach Süden auf die Berner Alpen zeigt, wo die Wolken hängen bleiben. Mir soll es heute so recht sein!

Eine weitere Stunde später treffe ich am Ostrand der Stadt Fribourg ein. Die Stadt zählt etwa 40.000 Einwohner, ist somit seit längerem das größte Siedlungsgebiet, in das ich komme und gleichzeitig die Kantonshauptstadt des Kantons Freiburg. Unverkennbares Wahrzeichen der Stadt sind die mittelalterlichen Stadtmauern und Türme sowie die gut erhaltene Altstadt. Nach der Gründung im Jahre 1157 wurde die Stadt etwa 100 Jahre später an die Habsburger verkauft und blieb bis kurz vor dem Eintritt in die Eidgenossenschaft 1481 in deren Besitz. Die Stadt liegt in einer Doppelschlinge des Flusses Sarine, der die Grenze zwischen deutschem und französischem Sprachraum bildet und daher im Volksmund auch „Röstigraben“ genannt wird. Der sprachliche Wechsel kommt trotz meines gemächlichen Tempos sehr abrupt und sollte mich schon bald vor Herausforderungen stellen. Eines der ersten Gebäude im Stadtgebiet gibt den Ton an: sehr romantisch wirds!

Am „roten Turm“ vorbei steige ich zum Fluss ab und betrete die Altstadt über die Bernerbrücke aus dem Jahr 1580. Ich traue meinen Augen kaum, als ich sehe, dass die Holzbrücke auch heute noch von Autos befahren wird.

Ich möchte nun zunächst das gebuchte Hotel aufsuchen um noch meine Wäsche zeitgerecht für die Reinigung abzugeben und steige die steilen Hänge der Altstadt hinauf. Weil das Wetter gerade passt und ich die Öffnungszeiten keinesfalls verpassen möchte, besuche ich gleich die Kathedrale zu St. Nicolas, die im hochgotischen Stil 1490 fertiggestellt wurde.

„Wenn du noch Kraft hast, geh unbedingt die Stufen auf den Turm der Kathedrale hinauf - der Ausblick ist ganz toll“, hatte der Trompeter am Vormittag gesagt. Gesagt, getan, geschwitzt beim Aufstieg der 365 Stufen - und keinesfalls bereut: Der Ausblick über die Stadt ist atemberaubend und in Bildern nur im Ansatz vermittelbar.




Nach diesem tollen Erlebnis suche ich mein Hotel auf, beziehe mein Zimmer (mit Blick auf die Stadtmauer), dusche mich und raste einige Minuten.
Bei einem ausgedehnten Stadtspaziergang lasse ich die Kulisse und den Flair der mittelalterlichen Stadt nochmals in Ruhe auf mich wirken und bin schlichtweg begeistert. So etwas habe ich bestimmt auch noch nie zu vor gesehen. Ich spaziere durch kopfsteingepflasterte Gassen mit eng aneinandergedrängten, 3-4 stöckigen Häusern, gehe über alte Brücken, an einer Vielzahl von Türmen vorbei und besuche einige der zahlreichen Kirchen. Stellvertretend für die Ausblicke und Eindrücke in dieser besonderen Stadt lasse ich nun einige Bilder sprechen.






Mit der Aussicht auf die Stadtmauer verabschiede ich mich für heute aus meinem Hotel. Ein Treffpunkt mit meiner Schwester Anna ist für Freitagmorgen bereits ausgemacht und ich freue mich schon sehr, sie wiederzusehen!

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