Obwohl ich gestern bis zum Umfallen gegangen bin, habe ich den geplanten Zielort im Talschluss nicht mehr erreicht. Die übrigen etwa 5 Kilometer werden um 06:50 in Angriff genommen, nachdem ich mich beim Bäcker in Hirschegg mit ausreichend Proviant eingedeckt habe. (Laugenbrezel halbiert und dünn mit Butter bestrichen ist ein unterschätzter Snack! Der Gourmet fügt noch ein wenig frischen Schnittlauch hinzu.)


Der Weg führt wieder der Breitach entlang taleinwärts - eine für mich nun sehr nachvollziehbare Wegwahl. Entlang des Flusses steigt oder fällt das Gelände meist recht stetig, oft ist es angenehm kühler als auf der Sonnseite des Berges und Wasser ist jederzeit verfügbar. Ich passiere Mittelberg und erreiche den Ort Baad im Talschluss, wo ich steil zum Ghf. Starzelhaus aufsteige. Mit jedem Schritt aufwärts erweitert sich das Bergpanorama und ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Meine Konzentration gilt nun dem Aufstieg aufs Starzeljoch auf 1867 Höhenmetern. Als bisher höchste Erhebung gilt die Überschreitung der Bergkette zwischen Widderstein und Hoher Ifen als Äquivalent zum Arlbergpass auf der Normalroute durchs Inntal. Natürlich möchte ich die angegebene Zeitvorgabe unterbieten und beiße mich den Anstieg unter der kräftigen Vormittagssonne hinauf. Was mich nach der Baumgrenze erwartet, ist schlicht atemberaubend:




Ich bin - nicht zum letzten Mal an diesem Tag - gerührt und stolz, es so weit gebracht zu haben, eine besondere Herausforderung wie ein Alpenpass verstärken ein solches Empfinden. Über die Alt- und Neuhornbachalm steige ich Richtung Schoppernau ab und genieße das weitgehend unbesiedelte Seitental unter der Hochkünzelspitze bei einer Jause und erfrischendem Almwasser.


Der steile Abstieg schmerzt in den Knien und ich beginne mit einem leichtem Trab - hinuntergehen hat mir noch nie wirklich gefallen, am elegantesten geht das per Gleitschirm durch die Luft.. ;)
Während die Mittagsglocken läuten erreiche ich die Kirche von Schoppernau, die wunderschön auf einer kleinen Anhöhe liegt. Unter der beschützenden Aura einer alten Linde wartet mein bester Freund Jakob mit einem sauren Radler („Sure“) und es kommt zu einem herzlichen Wiedersehen.

Nach der Erfrischung machen wir uns auf den Weg durch den unteren Bregenzerwald. Die Luft ist inzwischen recht aufgeladen und schwer, die Sonne ist drückend. Unsere Route führt uns meist den gut ausgebauten Radwegen entlang - das bedeutet leider oft Asphalt, ist aber sehr effektiv, um voranzukommen. Nach Schoppernau passieren wir Au und biegen bei der Kirche Richtung Nordwesten ab.

Wir umgehen den dominanten Berg Kanisfluh und gelangen nach Schnepfau. Wo die Tiere eine Tränke haben, finden auch wir eine Möglichkeit, Wasser zu tanken. Im Hintergrund ist die Kanisfluh zu sehen.

Nachdem die Südwand des Hügels von Schnepfegg unter glühender Hitze überwunden und die alte Kapelle auf der Anhöhe passiert ist gelangen wir nach Bizau, wo meine 30 km Grenze des Tages bereits längst überschritten ist und ein Brickerl zur Motivation eingekauft wird.


Am Friedhof direkt neben der Kirche von Bizau fällt mir etwas bisher Unbekanntes auf: Vor jedem Grab steht ein Behältnis für Weihwasser.
Wir nehmen wieder Schritt auf und folgen dem Bizauer Bach bis zu seiner Mündung in die Bregenzer Arch bei Reuthe. Gespräche über die Bergliebe, das meditative Erleben von Ausdauersport in der Natur und die interessanten Ausflüge, die der Geist dann zu unternehmen vermag, lenken uns von der Anstrengung ab. (Beispielhaft seien die Ohrwürmer „Hey hey Wickie“ oder „Ding Dong“ von EAV angeführt)
Bei Reuthe kürzen wir einen Bogen der Bregenzer Arch ab und kommen beim großen Werksgelände einer der vielen Tischlereibetriebe der Region vorbei. Wir überschreiten die Gleise der alten „Wälderbähnle“ und sehen kurz darauf einen Nostalgiezug vorbeifahren.

Spätestens jetzt muss ich meiner Liebe zu diesem besonderen Stück Land, dem Bregenzerwald, Nachdruck verleihen. In alle Richtungen topologisch abgegrenzt hat sich hier eine Mischung aus Tradition und Moderne entwickelt, die die offenen und herzlichen Menschen hier erst so richtig zum Tragen bringen. Holzverarbeitung, moderne Architektur, die Geschichte einer peripheren Region, der Übergang aus dem Hochalpinen zum Voralpenraum und die Leut‘ mit ihrem liebenswerten Dialekt - ich liebe dieses Land!

Der Bregenzer Arche entlang und nach Schwarzenberg hinauf zieht mich mein Supporter heute dem Ziel entgegen während meine Kräfte merklich schwinden.


Letzte Meter über bekanntes Terrain, den schönen Hauptplatz von Schwarzenberg, führen uns zum Nebenweiler Stangenach, wo das Haus meiner inzwischen lieben Freunde Sonja und Wolfgang, samt dessen Tischlereibetrieb liegt. Ein emotionales Ankommen an einem idyllischen Ort samt ganz liebevoller Menschen.


Nach zwei Etappen, die deutlich über die 40 Kilometer gegangen sind, ist dieses Ankommen eine Wohltat. Sonja verwöhnt mich mit Gastherzlichkeit und Naturmolkeprodukten, außerdem sieht man auf den Bildern die Kunstwerke der begabten Tochter Elena.


Nach einer ersehnten Dusche und Flüssigkeitsausgleich mittels „Sure“ geht es ins nahe gelegenen Egg zum Gasthof Traube und dessen Wirt „Brennar“, der die besten vorarlberger Käsknöpfle serviert, die ich kenne.

Beim Heimkommen nach dem guten Essen erleben wir eine magische Lichtstimmung um das tolle Haus herum.

Mit der Familie und später Michaela und Jakob lasse ich den Abend auf der Terrasse ausklingen bis mich die Strapazen der letzten Tage in die Waagrechte zwingen.


Am folgenden Tag spüre ich, wie sehr der Körper nach einer Pause verlangt hat. Wir fahren am Nachmittag an die Bregenzer Arch und genießen die kalte Erfrischung der Schneeschmelze bei Sommerklängen. Auch die Hunde genießen das kühle Nass.


Abends genießen wir erneut hochklassige Gastronomie bei Barbara im Wälderhof und schlafen sonnemüde ein.

Für meine beste Pilgerherberge bedanke ich mich ganz herzlich bei Sonja, für gute Gespräche und das Teilen von Expertise beim weitgereisten und pilgererfahrenen Wolfgang, für die verlässliche Unterstützung an einem anstrengenden Tag bei meinem besten Freund Jakob und für das ganz liebe Mittragen meines Projekts bei Elena und Michaela samt ihrer Hunde.
bis morgen,
simon
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