Es ist ein beeindruckendes Panorama, bei dem ich mich während des EM Spiels zwischen den Niederlanden und Österreich hinsetze, um meine intensive Tagesetappe zusammenzufassen. Zugegeben: Distanzen im Ausmaß eines Marathons bei 30 Grad im Schatten sind eine Gratwanderung zur körperlichen Überbelastung, die mit Verletzungs- und Erkrankungsrisiko einhergeht - doch ich bin auch stolz durchgehalten zu haben.

In der Früh verzichte ich auf das Frühstück, das erst um 8 Uhr angeboten wird, um die ersten kühleren Stunden des Tages nutzen zu können. Die letzten Schritte im Tannheimer Tal führen mich über die alte Salzstraße auf eine Anhöhe, wo ich die Staatsgrenze zu Deutschland passiere, ohne es zu bemerken.

Einige Bergbahnen sind einem touristisch aufgeblähten Ort namens Oberjoch auf etwa 1200 hm vorgelagert. Der Dorfplatz macht noch einen einigermaßen ursprünglichen Eindruck, ich besuche hungrig die Bäckerei und besorge ein Frühstück. Nach einigen steilen Metern bergab finde ich einen Jausenplatz und muss mit Bedauern feststellen, dass beim Croissant an Butter und bei der Nussschnecke an Füllung gespart wurde. Die alten Preisaufkleber zeugen davon, wie weit man von modernen Supermärkten entfernt ist.

Ich passiere den Kurort Bad Hindelang, steige westlich auf einen niedrigen Bergrücken auf und schaue Richtung Sonthofen und Immenstadt im Allgäu, wo die Berge nördlich bald kleiner werden. Schon jetzt spüre ich, dass die Hitzewarnung für Bayern durchaus ernst gemeint war. Häufig muss ich stehenbleiben, um zu trinken und schon vor Mittag ist die 1L Flasche das 3. Mal aufgefüllt. Die Route zieht bald Richtung Süden und die hochalpinen Spitzen der Allgäuer sowie Lechtaler Alpen kommen in Sichtweite.

Nach dem kurzen Abstieg gelange ich nach Altstädten, wo ich dem kürzlich angelegten Naturschwimmbad nicht widerstehen kann. Die Abkühlung ist herzlich willkommen, die Stärkung anbei mit „Pommes Schranke“ und „Apfelsaftschorle“ ebenso, auch wenn ich mich an die Begriffe nie gewöhnen werde. Schon spannend, wie hier wenige Kilometer einen sprachlichen Unterschied machen. Danach geselle ich mich an das Ufer des Flusses Iller und werde das Gewässer letztlich bis zum Zielort nicht mehr verlassen. Die Kilometer an Oberstdorf vorbei führen über den Radweg und fordern mein Durchhaltevermögen bei glühender Hitze heraus. Immer wieder mache ich einen Sprung zum Wasser hinunter, um mich zu erfrischen und abzukühlen. Wo der Fluss Trattach in die Iller mündet wird der Fuss fortan Breitach genannt. Entkräftet komme ich bei einem McDonalds vorbei und hole mir ein Motivationseis.

Wieder liegen einige Kilometer Asphaltradweg vor mir und die Füße beginnen mit jedem Schritt mehr zu brennen. Zwischenzeitlich habe ich eine kurze Internetrecherche betrieben und herausgefunden, dass die Breitach-Klamm begehbar ist - das möchte ich mir nicht entgehen lassen.

Eine kurze Online-Registrierung und das Löhnen von ein paar Euros später staune ich über eine sehr aufwändig ausgebaute Klamm. In vielerlei Hinsicht war die Streckenwahl hier eine gute Entscheidung: Schattig, angenehm kühl und abwechslungsreich macht mir der Weg durch die Klamm das Vorankommen leichter.


Ich staune: soetwas habe ich noch nie gesehen. Die unbändige Kraft, mit der das Wasser hier durch das steinerne Nadelöhr schießt ist beeindruckend. Lautes Tosen erfüllt die engen Wände, kalter Wasserdampf steigt auf und eine Tafel zeigt, wo das Wasser hier zur Schneeschmelze steht. Die Dimension der Naturgewalten beweist auch ein Felssturz im Jahr 1995, als ein 30 Meter tiefer See angestaut wurde, der mit der Schneeschmelze des folgenden Jahres wieder weggespült wurde - auch wenn das natürlich viel zu harmlos klingt.


Während ich der Talfurche, die der Fluss hier gezogen hat weiter folge, ebbt das wilde Getose langsam ab. Auf einer Schotterbank finde ich eine Kolonie Steintürmchen/männchen, die ein magisches Bild abgeben.

Auch Kilometer flussaufwärts führt die Breitach bereits große Wassermassen.

Ich steige aus dem Flusstal nach Rietzlern auf und das kleine Walsertal, bekannt aus Kanzler Sebastians schwer misslungenem Prestigeauftritt, leuchtet in der warmen Spätsonne des Sommerabends.

Ich suche mir ein Hotel heraus, schleppe mich ziemlich erschöpft bis in den Ort Hirschegg. Das Hotel Adler bietet eine Terrasse und Balkone mit unglaublichem Ausblick auf Elferkopf und Geißhorn, den ich euch natürlich nicht vorenthalten möchte.


Ordentlich müde gehe ich ins Bett und freue mich morgen bekannte Gesichter zu sehen. Überfällig ist nun außerdem eine Pause, die ich im Bregenzerwald gerne einlegen werde.
Gute Nacht!
Lieber Simon,
Gott sei dank bin ich wieder bei deiner Runde.
Mein Internetbrowser hat mir Probleme bereitet ( es war keine Öffnung möglich.)
Mit großem Interesse darf ich wieder an deinen Erlebnissen teilnehmen, mich an den schönen Bildern erfreuen und deine Schreib-Kunst bewundern. Vergelt`s Gott.
" Ich habe immer eine Sehnsucht nach dem Fremden gehabt" sagte neulich mein geschätzter Schriftstelle Peter Rosei in Ö1 über das Unterwegssein.
Übrigens ein kurzer Hörhinweis:
am 20.6. um 18,15 eben im Radio geht es im Moment am Sonntag, übers Flanieren, promenieren und lustwandeln. Es ist mir schon bewusst, dass deine Art des Gehen eine ganz andere ( viel anstrengendere) Art der Fortbewegung ist, aber vielleicht sind auch für dich Gedanken dabei.
Immer wieder, wenn…