Zunächst ein Nachtrag zu gestern, da ich vergessen habe, die Routenführung der nächsten Tage zu erklären. Kurz nach Stams bin ich mit der Innüberquerung Richtung Norden von der „Original“-Strecke durch das Inntal über den Arlbergpass abgewichen und beschreite nun die Variante über das tiroler Außerfern und das Allgäu bis zum Bregenzerwald. Der beschriebene landschaftliche Reiz und die Tatsache, dass ich im Bregenzerwald liebe Freunde besuchen möchte, haben die Entscheidung beeinflusst.
Nach einer ungewöhnlich unruhigen Nacht durchschreite ich ab ca. 08.20 den Ort Lermoos und steige beim Panoramabad zum gleichnamigen Wanderweg hoch. 120 Höhenmeter hat man bald in der Tasche wenn man in Tirol unterwegs ist - gleich in der Früh können sich die aber schon anstrengend anfühlen. Der Blick zurück zeigt nochmals die Zugspitzarena.

Der folgende Abschnitt führt mich langsam von den übermächtigen Felswänden weg in ein Transittal, das von einer stark befahrenen Bundesstraße und almenhaften Wiesen geprägt ist. Ich liebe den Geruch des trocknenden Heus und pflücke einen Rotklee um die Blüten auszusaugen. Dabei fühle ich mich an meine Kindheit erinnert.

Die folgenden Kilometer gehen leicht von der Hand und ich denke über verschiedenste Dinge nach. Die Ortschaft Lähn lässt mich beim Steinbrunnen anhalten. Das Element Wasser verleiht nicht nur einem Garten sondern auch einem Wohnort einen lebendigen Charakter. Gleich daneben hängt eine alte Inschrift, die an die Schicksale des Ortes erinnert. 1456 und 1689 hatten Lawinen das Dorf vollkommen zerstört und viele Todesopfer gefordert. Die Hilflosigkeit vor den Gewalten der Natur macht mich nachdenklich. Letztlich können wir auch heute trotz moderner Berechnungen Muren, Lawinen oder Überschwemmungen nie ausschließen. Die Präsenz dieser Gefahr ist im alpinen Raum auch geschichtlich nachvollziehbarer Weise eindrücklicher als in der Stadt.


Nach einer Minute Stille in der Dorfkirche gehe ich weiter und werde darauf aufmerksam, welche modernen Veränderungen die Landschaft prägen. Große Stromautobahnen und stark befahrene Straßen stören das Bild, die Eisenbahn in meinen Augen nicht. Ich finde, dass die Gleise und die fahrenden Züge eine gewisse Romantik in die Kulisse zaubern.

Die Temperatur steigt wieder, die Steine reflektieren die Hitze und ich wandere an jungen Ochsen vorbei. Der Weg deckt sich in diesem Bereich mit der Via Claudia Augusta, einer alten römischen Transitroute in die damals neu eroberten Gebiete des Alpenvorlandes, das nun vor mir liegt. Ein alter Meilenstein gibt die Distanz zu Innsbruck mit 10 deutschen Meilen (etwa 75km) an. Die Informationstafel daneben erinnert an eine Zeit, in der hier ab ca. 1200 n. Chr. mit Pferdefuhrwerken täglich 750kg Salz (40 Fuhrwerke zu 3 Fässern) aus Hallstadt exportiert wurden.

Die Ortschaft Heiterwang kommt nun in Sichtweite, doch mein (nun wieder eigens gewählter) Weg führt mich nordöstlich daran vorbei in einen Talboden. Ich habe mir vorgenommen, dem Heiterwanger See, der von den kleinen Flüssen Grundbach und Räute gespeist wird, einen Besuch abzustatten.

Während deutsche Touristen auf e-Bikes an mir vorbeiziehen erreiche ich den See und staune. Das Gewässer ist türkis bis aquamarinblau, weitläufig und abgesehen von einem Campingplatz völlig unberührt. Neben letzterem finde ich eine Liegewiese, bemerke, dass das Timing zur Mittagsstunde hin passt, ziehe mich aus und werfe mich überhitzt ins Wasser. Der Gesichtsausdruck gibt die 16 Grad Wassertemperatur wieder…



Nach der Erfrischung entscheide ich mich für den Weg übers Mäuerle (1224 hm) verliere den Pfad und lege eine ungewollte Querfeldein-Bergauf-Expedition hin. Auf der Anhöhe erwische ich den Wanderweg wieder und folge schweißgebadet einem Forstweg Richtung Breitenwang. Bei einer kurzen Pause suche ich mein Nachtquartier und steige ins Lechtal ab. Nach Breitenwang gelange ich in die Stadt Reutte, von der ich eigenartigerweise ein wenig mehr erwartet hätte. Die „Innenstadt“ befindet sich im Generalumbau und auf der Hauptstraße rollt der Güterverkehr - hier fehlt wohl eine geeignete Umfahrung. Ich setze mich in den Schatten eines Café und trinke einen Affogato sowie einen hervorragenden Eistee.

Die letzten Kilometer des Tages führen mich am schneeschmelzebedingt reißenden Lech entlang nach Höflein in der Nähe von Reutte. Am anderen Ufer des Flusses liegt ein Flugplatz für Segelflieger und Kleinmotorige, der umgangen werden muss.

Ich bin froh, heute früher mit dem Tagespensum abzuschließen, auch mein Körper bedankt sich für mehr Regenerationszeit. Hier noch die Tageszusammenfassung:

Bleibt mir noch ein herzliches Danke für alle Rückmeldungen und wegbegleitenden Nachrichten auszusprechen. Freut mich sehr!
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