Willkommen zurück bei meinem Pilgerblog! Ich habe eine große Freude, wieder starten zu können und auch darüber zu berichten. Nach einem sehr intensiven Freitagnachtdienst, den ich gemeinsam mit meinem Bruder am RTW bestritten habe, steige ich am Vormittag in den Zug nach Innsbruck und unschlagbare 4:14 Stunden später in der Tiroler Landeshauptstadt wieder aus. Ich habe mich entschlossen, am Anreisetag in Innsbruck zu bleiben und erst am Folgetag Richtung Westen aufzubrechen. Die Stadt an der Nordkette präsentiert sich bei Sonnenschein und ich nutze die Zeit, durch die Gassen zu spazieren. Zwischen dem Landestheater und dem Haus der Musik treffe ich auf herbeiströmende Tiroler in Tracht. Wenig später findet ein kleiner Festakt samt Blasmusik statt, dem ich wie auch der Tiroler Landeshauptmann interessiert beiwohne. Militärischer Apell, Landeshymne und „Ehrensalven“ - alles wird aufgeboten.


Einmal planlos um die Ecke Richtung Uni-Viertel abgebogen, schon werde ich von zwei Mädls angesprochen wo ich eigentlich hin will. Bevor ich viel erklären kann werde ich zu einer größeren Gruppe eingeladen und sofort integriert. Rasch entwickelt sich ein äußerst lustiger Abend mit guten Gesprächen - etwas, was ich am Reisen alleine sehr schätze. Dafür braucht es allerdings sehr offene, kommunikative Menschen. An dieser Stelle möchte ich mich stellvertretend für Viele bei Valentina und Philipp bedanken.
Als die Polizei die erste Kontrollrunde im immer volleren Innenhof fährt mache ich einen Blick auf die Uhr und folge der Vernunft: Mehr Bier und weniger Schlaf würden mir den Tag morgen nachhaltig verderben.
0800 am nächsten Tag und endlich werden wieder „Meter gemacht“. Die Gassen der Innenstadt werden gerade gereinigt - die einen schlafen noch den Rausch aus und die anderen sind bereits am Innufer Joggen. Bei Städtereisen die ersten Stunden des Tages zu nutzen kann ich nur empfehlen: Alleine vorm goldenen Dachl - das gibts wohl nur Sonntag Früh.

Ich lasse die engen Gassen hinter mir und folge dem Inn flussaufwärts. Es fällt auf, wie viel Wasser der Fluss führt. Nach einer Dreiviertelstunde passiere ich den Flughafen Innsbruck, wo reger Betrieb herrscht. Kleinmotorige Maschinen starten und laden, auch Segelflugzeuge werden mit der Winde in die Lüfte gezogen. In meiner Vorbereitung auf die Auswahl der Flugretter entgeht mir freilich nicht, dass hier auch der Hangar des Christophorus 1 und der Flugpolizei steht. 1983 ging der Rettungshubschauber als Erster in Österreich in den Dienst. Die anfänglichen Wolken sind inzwischen verzogen, es wird rasch wärmer und damit Zeit, die langen Hosenbeine abzuzippen. Es folgen Ortschaften, die dem Ballungsraum Innsbruck zuzuordnen sind: Logistiklager, Einkaufszentren und ausgedehnte Vorort-Wohnsiedlungen: landschaftlich wenig reizvoll, doch das gibt mir Zeit, wieder in meinen Trott zu finden.

Unterperfuss ist schließlich die erste Ortschaft die mir mit ihrem ländlichen Charme in Erinnerung geblieben ist. Alte, massive Bauernhäuer, liebevoll gepflegte Gemüsegärten und vor allem Rosenstöcke, die in voller Blüte stehen. Ein Lokal unter großen Linden bietet Schatten und läd zur Mittagspause ein - ich kann nicht widerstehen (gratis Suppe für Pilger).


2330 Kilometer - eine Zahl die schwer zu fassen ist… der Abschnitt nach meiner kurzen Mittagspause deckt sich mit dem Inntalradweg und wird dementsprechend zu einem einfältigen Asphalttrab. Ich versuche ein wenig mit der Zahl zu spielen und werde in der Mittagssonne so müde, dass ich während dem Gehen fast einschlafe. Abhilfe schafft das Abweichen vom Radweg.

Inzing heißt die nächste Ortschaft die ich passiere. Hier finde ich ein Blumenornament am Boden und denke inzwischen außerdem, dass das Heraushängen der vielen tiroler Landesfahnen kein Zufall sein kann.

Inzwischen ist es bereits 14 Uhr und die heutigen 27 Grad machen sich langsam bemerkbar. Die folgenden Ortschaften sich sich letztlich sehr ähnlich und die Erinnerung daran verschwimmt bereits Abends. Nicht zu ignorieren ist inzwischen das Brennen der Sonne auf der Haut und ich ärgere mich furchtbar, einen Anfängerfehler begangen zu haben: die Sonnencreme fehlt! Die Routenführung zieht immer wieder zur Kirche der Ortschaften um danach wieder den Waldrand zu suchen. Mir ist der Schatten der Bäume ein Segen. So wird es zu einem Durchbeißen bei hohen Temperaturen und ich lasse die Ortschaften Polling und Flaurling hinter mir.


Erfreulich ist allenfalls, dass der Weg weit weg von der dominierenden Inntalautobahn verläuft und damit ruhiger als noch am Vormittag ist. Die Pulsader Tirols, das Inntal führt parallel Wasser, Schienen, Autobahn und Energie.

Vorne rechts taucht ein eindrücklicher Berg auf, an dessen Fuß die Stadt Telfs liegt. Später schaue ich nach und finde heraus: Hohe Munde heißt der Gipfel (2659m).

Ich erreiche ziemlich ermüdet den Ort Paffenhofen, der nach Peter Lindenthal das eigentliche Etappenziel wäre. An dieser Stelle muss ich berichten, dass der Plan, heute Nacht im Stift Stams zu schlafen leider nicht aufgegangen ist. Aus organisatorischen Gründen musste mir der zuständige Pater absagen. Kurzerhand wird eine Herberge im nächsten Dorf gesucht und gefunden.

Im Dorferwirt in Rietz werde ich vom sichtlich gut geölten Wirt gefragt, was die Maske denn soll. „Is dia nit kloa dass du in Tirol bisch? Mia brauchn sowos ned!“
Keinesfalls werde ich jetzt alle Tiroler über einen Kamm scheren, ausgesprochen sauer aufstoßen tuts mir trotzdem nach einem Jahr Schutzmaßnahmen und Sonderbelastung im Rettungsdienst. Zumindest lässt sich wohl eines sagen: Ja, Wien ist anders. Aber Tirol ist auch anders.
Fast 40 Kilometer, ein ordentlicher Sonnenbrand und müde Beine. Morgen stellt sich die Frage: mehr Kilometer oder mehr Höhenmeter? Ich denke ich werde spontan entscheiden.
Gute Nacht, bis morgen!

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