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Etappe 19 - Breitenbach nach Pill

Autorenbild: Simon ExenbergerSimon Exenberger

Gleich vorneweg: Der wohl unbekannte kleine Zielort Pill liegt zwischen Schwaz und Terfens im Inntal. Heute ist es also der vierte Tag in Folge mit mehr als 35 km.

Schon beim Start in den Tag spüre ich, dass meine Fersen von den letzten anstrengenden Tagen einigermaßen beleidigt sind. Insbesondere beim Aufstieg löst der Druck auf die mit Blasenpflastern versorgten Fersen mal links und mal rechts ziemliche Schmerzen aus. Ich bemühe mich, den Fokus vom Schmerz weg und auf die Landschaft zu lenken. Von Breitenbach steige ich den Paisslberg hinauf - in der Früh hat es einen ordentlichen „Zapfn“ und der Raureif bleibt in den Schattenlagen liegen.

Mit der steigenden Sonne im Rücken gehe ich den Paisslberg entlang und habe immer wieder schöne Ausblicke über das Inntal. Sobald kein schalldämpfendes Waldstück dazwischen liegt surrt oder dröhnt die Inntalautobahn dauerhaft im Hintergrund. Bevor ich zum Fluss hinuntersteige komme ich an einem liebevoll gestalteten Pilgermaterl vorbei.

Der Inn ist breit und fließt flott. Die Route verläuft nun einige Zeit lang dem Fluss am Nordufer entlang. Ohne nach dem Weg suchen zu müssen verfalle ich schnell in ein meditatives Dahintrotten. Es sind absurde Ohrwürmer oder abstruse Fragen, die in meinem Kopf dann Runden drehen - a la... wie „fühlt es sich für die Kühe eigentlich komisch an, in die eigene Scheisse zu steigen?“ oder „I kim ausm Landl Tirol“ von DJ Ötzi. Das geistlose dahinzirkulieren der Gedanken mag verstörend sein, fühlt sich aber in Kombination mit der Bewegung angenehm unkompliziert an. Nach einiger Zeit unterquere ich wieder die Autobahn und überquere den Inn. Wo das schmale Alpbachtal ins Inntal mündet liegen die Städte Rattenberg und Brixlegg. Direkt am Fluss liegt Rattenberg, dessen Ortskern seit dem 17. Jahrhundert keine wesentlichen Veränderungen mehr erfahren hat und mich so mit historischer Idylle fasziniert und überrascht.

Die Stadt (seit 1393) hatte lang vom Erzbergbau gelebt und glänzt heute mit einer einladenden Fußgängerzone und vielen kleinen Geschäften, besonders häufig Kunstwerkstätten der Glasblaserei. Am Stadtende halte ich mich wieder an den Inn und folge ihm, Brixlegg zur linken westwärts. Der Schuhfabrikant Giesswein und ein großes Montan-Fabriksgelände fallen mir hier auf. Weitere 45 Minuten trabe ich dem Inn entlang und biege jäh zur Ortschaft St. Gertraudi ab um eine Dorfkirche mit Pilgergruß zu finden.

Eine halbe Stunde später mündet das Zillertal von Süden her ins Inntal. Die Talmündung ist breit und das Wetter ermöglicht den tiefen Blick Richtung Mayrhofen und die umliegenden 3000er. Bei Strass im Zillertal fällt mir auf, dass das Tal eine eigene Schmalspurbahn besitzt. Auf dem Weg nach Jenbach betrete ich eine lange bildhaft schöne Lindenallee in den schönsten Herbstfarben. Hätte man Zeit und eine gute Kamera, dann könnte man hier wohl das Bild seines Lebens schießen.

Am Ende der Allee treffe ich auf das Schloss Rotholz und entdecke bald, dass das ehemalige Jagdschloss aus dem 16. Jahrhundert heute als landwirtschaftliche Lehranstalt genutzt wird. Während ich durch das alte Gebäude schreite, sehe ich eine Klasse beim Skilltraining an der Motorsäge und habe einen sehr professionellen Eindruck vom Lehrbetrieb hier. Ich erinnere mich daran, in die Freundschaftsbücher der Volkschule beim Berufswunsch „Bergbauer“ eingetragen zu haben...

Ich erreiche Jenbach, eine Stadt die seit dem 15. Jahrhundert schon wichtiger Industriestandort ist. Kaum ein Gebäude trägt historischen Pathos und beim Durchqueren finde ich keinen sympathischen Ortskern. Ich hole mir eine Jause und mache hinter der Kirche meine Mittagspause. Danach folge ich der wenig frequentierten Landstraße westwärts bis ich zum Schloss Tratzberg hochsteige.

Hier gibt es die verlockende Möglichkeit, der Bergstraße zum Wallfahrtsort St. Georgenberg zu folgen - die ich schweren Herzens ausschlage. Wer den Begriff Wolfsklamm oder St. Georgenberg googelt, wird meine Entscheidung vielleicht nur schwer nachvollziehen können - doch meine Fersen schmerzen ähnlich stark wie das Verpassen des Naturschauspiels. Ich erreiche den Ort Stans am alternativen Talweg und mache an einem wunderbaren Ort eine Trinkpause.

Leider sind die meisten Wege hier asphaltiert und ich beginne, die Strapazen der letzten Tage zu spüren. Dem Berghang entlang gelange ich bei Vomp zum Benediktinerstift Fiecht, das ob seiner Lage einen bleibenden Eindruck hinterlässt.

Meine Tagesziele richten sich inzwischen häufig nach der Qualität der Unterkünfte und so ist es auch heute. Alte Gemäuer im Dorf Pill wurden zu einem sehr komfortablen Hotel ausgebaut und belohnen mich für den vierten Tag 35km+.


Ich habe das Gefühl, trotz der zeitnahen „Tagebucheintäge“ immer wieder so viele spannende Details zu vergessen. Diese Berichte kommen dennoch sehr unvermittelt und falls ich etwas liegen lasse bleibt es für immer bei mir.


Morgen ab nach Innsbruck und dann nach Hause... Gute Nacht!



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