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Etappe 18 - Ellmau nach Breitenbach im Inntal

Autorenbild: Simon ExenbergerSimon Exenberger

Wie so häufig schlafe ich in der Früh gefühlt am besten und tue mir schwer aus den Federn zu kommen. Um 08:45 trinke ich einen Kaffee und fülle die Thermoskanne auf, kurz darauf trete ich vor die Türe. Die klare Nacht hat die Temperatur auf knusprige 0 Grad fallen lassen und der Wartungsbetrieb für die Wintersaison läuft bereits bei der Bergbahn nebenan. Ein paar Meter geht es bergauf um gleich warm zu werden und ich blicke auf das Tal und den gegenüberliegenden Wilden Kaiser.

Die Luft ist kalt und riecht nach den Holzöfen, die schon eingeheizt sind. Meine Route führt mich am Berghang etwa 150hm über dem Tal entlang und gibt immer wieder den Blick frei auf die beeindruckende Kulisse des Wilden Kaisers.

Hier in Tirol hat sich jemand die Beschilderung des Jakobswegs zu Herzen genommen. Weitgehend ist die Route ausgezeichnet markiert, meist bräuchte man wohl keine Wanderkarte oder Routenführer.

Bei der Ortschaft Blaiken komme ich kurz ins Tal herunter um in der Nähe einer der zahlreichen Bergbahnen wieder auf die Bergflanke aufzusteigen. Der Hang heißt Schattseite, wird jedoch seinem Namen an diesem wunderbaren Tag nicht gerecht. Ich genieße das auf und ab zwischen Waldinseln und Kuhweiden.

Die nächste Ortschaft, die ich erreiche ist Söll. Sie schließt die Folge der wintertouristisch aufgeblasenen Dörfer ab. Da der Magen knurrt und die Mittagsstunde nicht mehr weit ist hole ich mir eine Jause beim Supermarkt und steige einige Meter hinter dem Ort hoch, wo ich dann eine ideale Jausenstation mit Ausblick auf die Bergketten und das Tal vorfinde.

Nach der Mittagspause wandere ich bei mittlerweile strahlendem Sonnenschein durch einige kleine Weiler nach Itter, wo das Brixental aus südlicher Richtung einmündet. Mir fällt heute die typische tiroler Bauweise besonders auf. Es sind recht breit gebaute, große Bauernhäuser mit flachem Dachstuhl und die monströsen Balken weisen darauf hin, wie viel Schneelast die Dächer hier wohl zeitweise zu tragen haben. Die Basis bilden bei den älteren Häusern breite Steinmauern, auf denen ein hölzern verkleidetes zweites oder auch drittes Geschoß liegt. Was mir besonders auffällt sind die kleinen Glockentürme, oft auch mit einem Wetterhahn versehen, und die am Giebel angebrachten Kreuze. Später lese ich nach und erfahre, dass diese Bauweise in der dieser Region typisch ist und die Glocken früher die Funktion hatten, Mägde und Knechte zur rechten Zeit zum Essen zu rufen. In der Vorstellung dieser längst vergangenen Zeit kann man sich verlieren wie im „finsteren Tal“. Heute, insbesondere bei diesem Wetter strahlen die Bauernhäuser.

Mir wird in der Zwischenzeit ausgesprochen warm - für Mitte Oktober in Tirol ist es sehr angenehm mild.

Ich treffe bei Bruckhäusl auf eine alte Dame, die gerade damit beschäftigt ist, ihren Garten auf den Winter vorzubereiten. Sie erzählt mir, jahrelang Pilger bei sich aufgenommen zu haben und sagt, sie habe „die Menschen immer sehr gern gehabt“. Ich freue mich über ihre positiven Erfahrungen und hätte gern noch länger darüber geplaudert - doch ich muss weiter und wir wünschen uns gegenseitig alles Gute. Danach gesellt sich der Weg zur Brixentaler Ache aus gleichnamigem Tal und verlässt diese bis zur Mündung in den Inn nicht mehr. Nun liegt das Unterinntal vor mir und begrüßt mich einigermaßen unsympathisch mit dem vergessenen Lärm der Autobahn. Bei Wörgl, das ich nördlich umgehe, wird der industrielle Charakter der Ost-West Achse umgehend spürbar. Zudem verläuft der Weg einige Zeit lang der Bahn entlang um danach unter der Bahn- und tosenden Autobahnstrecke hindurchzuführen.

Detail am Rande: Immer öfter sehe ich an Flussufern den eingeschleppten und unerwünschten Neophyt ‚japanischer Schlingknöterich‘ wuchern. Über die konkrete Problematik mit der neuen Pflanze muss ich mich erst noch eingehend informieren. Nach den Verkehrsachsen passiere ich nun auch den breiten Inn ans Nordufer und steige sofort einige Höhenmeter auf den Angerberg auf. Oben angekommen stellt sich wieder die Ruhe des Landes und der Bauernhöfe in der Spätsonne ein. Nach einem ungewollten Abstecher zur Grabenkapelle, die mir ein bisschen unheimlich erscheint, suche ich mir den Weg zurück aufs Plateau. Die Rinder sind zurück von der Alm und haben mit den saftigen Wiesen ihre Freude.

Es ist ein Bild von ungetrübter Idylle, wenn die Tiere in ihrem gemütlichen Tempo in den Stall zurückkehren. Wenn die Druckstellen auf meinen Fersen nicht Probleme bereiteten, könnte ich in dieser Spätnachmittagsstimmung stundenlang wandern. Bevor es wieder ins Tal hinunter geht, suche ich nach einer geeigneten Unterkunft und werde im nahe gelegenen Breitenbach fündig. Vor dem Abstieg blicke der Sonne im Westen und dem Inntal entgegen und verspüre Glückseligkeit. Die Berge an den Rändern des Tals stehen hintereinander wie Brüder - in Farbschattierungen von dünkelgrün bis blassblau lassen sie mich staunen.

Auch heute sind es wieder 35 km geworden... in Anbetracht des Pensums gestern haben meine Beine gut mitgehalten.


Bis morgen :)





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