Gestern habe ich einen Pausetag genossen. Ich habe lang geschlafen, meine Wäsche wieder einmal von einer Maschine waschen lassen und bei einem Stadtspaziergang nach einem Friseur gesucht. Aufgrund des „Tags der Galicischen Literatur“ waren allerdings viele Geschäfte und auch die Friseurläden geschlossen - ein interessanter Feiertag, wie ich finde.

Spätabends trifft meine liebe Freundin Julia nach langer Anreise über Madrid mit einem geteilten Kleinbus ein. Gemeinsam statten wir der kleinen Bar, die ich gestern gefunden habe einen Besuch ab und teilen uns einen der wuchtigen Burger.
Heute Früh schlafen wir aus, nehmen uns genug Zeit für das Frühstück und geben den vielen, in Sarria startenden Pilgern einen Vorsprung. Die Statistik hat erahnen lassen, was hier sichtbar wird: Selten zuvor habe ich so viele Menschen in brandneuen Trekkingschuhen herumlaufen sehen. Während für viele Andere die Kleinstadt Sarria der Startpunkt ihres Jakobsweges ist, habe ich das Gefühl, jetzt in die Zielgerade einzubiegen.
Bevor wir die Treppen zur Rua Maior hinaufsteigen, kaufen wir noch Bananen und Müsliriegel im Supermarkt ein. Von Beginn an ist es heute nass und sollte es auch bleiben, auch wenn es zunächst nur ganz leicht nieselt.

In der Nähe der Bahngleise, über die Sarria öffentlich angebunden ist, zweigt eine Alternativroute vom Hauptweg ab und wir entscheiden uns spontan für die Variante. Dabei entfernen wir uns rasch vom Pilgerstrom.

Mittlerweile hat es kräftig zu regnen begonnen und wir verfallen in einen gleichmäßigen Trott. Ich erzähle von meinen bisherigen Erfahrungen auf dem Pilgerweg durch Spanien, und wie die letzten Tage verlaufen sind. Nach etwa 5 Kilometern im Abseits reihen wir uns wieder in den Pilgerstrom ein. Bisher waren ja kaum andere Fußreisende auf meinen Bildern zu sehen - jetzt wird es kaum noch Fotos ohne Gesellschaft geben, schätze ich.

Die Strecke führt über verkehrsfreie und angenehm abwechslungsreiche Wege. Von den ursprünglichen gepflasterten Straßen (sog. corredoiras), die die verstreuten Dörfer verbinden, ist leider kaum noch etwas übrig. An manchen Stellen hat man sich bemüht, eine moderne Form der alten Wege zu restaurieren.

Unablässig, aber meist nicht allzu stark, regnet es, und neben der vielbegangenen Strecke bilden sich kleine Bachläufe. Ich habe sehr wohl den Eindruck, dass man sich hier der großen Zahl an touristischen Pilgern bewusst ist, denn die Wege sind deutlich besser gepflegt, als am bisherigen Camino Frances.

In Morgade kehren wir in einer Gaststätte ein und bestellen einen frisch gepressten Obst- und Gemüsesaft samt einem Schuss Ingwer und anschließend zwei „Cafe con Leche“. Bei dem regnerischen Wetter sind die Bars und Restaurants entlang des Weges besonders gut besucht.
Als wir weitergehen, zähle ich die Kilometer herunter und schon bald erreichen wir den Stein, der die letzten 100 Kilometer bis Santiago markiert: ein stolzer Moment.

Es fällt heute schwer, den schönen Weg zu genießen. Das liegt vor allem daran, dass man bei dem gatschigen Untergrund meist gut aufpassen muss, wo man hintritt und in den intensiveren Regenphasen das Gesicht mikt der Kapuze der Jacke verbirgt.
Die Gegend, die wir durchwandern, ist sehr ländlich. Die meisten Dörfer bestehen aus wenigen Höfen, die meist in schlechtem Zustand sind. Obwohl ich den Geruch des Bauernhofes und auch des Stalls mit sehr positiven Kindheitserinnerungen verbinde, werde ich mir vom heutigen Tag auch die mehrfache Wahrnehmung eines dumpfen Gestanks merken.

Im Laufe der letzten Stunde vor dem Etappenziel ziehen noch zwei intensive Regenschauer über uns hinweg, die die letzten Feuchtigkeitsbarrieren der Regenjacken brechen und das kalte Wasser durchsickern lassen. Jetzt beginnt es kalt zu werden.
Just in dem Moment, als Portomarin zum ersten Mal in Sichtweite kommt, endet der Regen und es wird plötzlich viel heller.

Der Weg führt nun den Hügel abwärts und teilt sich gegen Ende in drei Varianten auf. Ein älteres Paar und eine Gruppe Amerikanerinnen verschmähen den Hinweis, dass diese Route über einen unwegsamen, schwierigen Steig führt und verursachen mit ihrer Trittunsicherheit einen kleinen Pilgerstau.


Nun ist noch die lange Brücke über den angestauten Fluss Mino, an dessen gegenüberliegendem Ufer Portomarin liegt.

Eine steile Treppe führt in den belebten Zielort. Der Ortskern von Portomarin wurde in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts auf den Hügel hinauf verlegt, da man mit dem Bau des etwa 40 Kilometer entfernten Staudamms „Belesar“ begonnen wurde. Aufgrund der raschen Neugliederung ist der Ort in ein rasterartiges Straßennetz gegliedert.

Auch die romanische Wehrkirche San Nicolas wurde im Zuge der Umsiedelung Stein für Stein abgetragen und in der neuen Ortsmitte wieder aufgebaut.

Ich habe ein Apartment reserviert, das keine Wünsche offen lässt. Nach einer wohlverdienten warmen Dusche gilt es, die völlig durchnässte Kleidung zu trocknen. Insbesondere bei den Schuhen könnte das bis morgen schwierig werden.

Abends beruhigt sich das Wetter, sogar die Sonne kommt noch einmal heraus und macht das Abendessen bei einem italienischen Restaurant deutlich angenehmer.

Lieber Petrus, morgen würden wir uns sehr über ein paar Sonnenstunden freuen!
Buenas Noches!
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